Manipulation durch Gerrymandering
Wie Politiker in den USA es schaffen, auch ohne Mehrheiten an der Macht zu bleiben
US-Politikern gelingt es immer wieder, sich an die Macht zu tricksen – durch Manipulation der Wahlkreise. In Texas eskaliert nun der Streit um die Neuordnung der Bezirke vor den Midterms 2026. Was hinter Gerrymandering steckt.
Eigentlich wählen die Wähler die Politiker. Aber in den USA ist es oft umgekehrt.
Die Politiker wählen ihre Wähler aus.
Möglich macht das geschicktes Gerrymandering.
Was ist Gerrymandering?
Alle zehn Jahre werden die Grenzen der 435 Wahlkreise für das US-Repräsentantenhaus neu gezogen. Dieser Prozess heißt Redistricting.
In den meisten Bundesstaaten übernehmen das die jeweils regierenden Parteien. Wenn Wahlkreise dabei so eingeteilt werden, dass eine Partei einen erheblichen Vorteil erhält, spricht man von Gerrymandering.
Ein Beispiel aus „Gerrymander-Land“
Im fiktiven „Gerrymander-Land“ hat die Mehrheit der Wähler für die blaue Partei abgestimmt.
Aber je nachdem, wie die Grenzen der Wahlkreise gezogen werden, gewinnt Blau oder Rot.
Beispiel 1
Rot gewinnt 2:1
Beispiel 2
Rot gewinnt 2:1
Beispiel 3
Blau gewinnt 2:1
In zwei Schritten zum Gerrymandering-Master
Will man an der Macht bleiben, muss man im Wesentlichen zwei Strategien beherrschen:
Gerrymandering-Strategie 1: Packing
Bei dieser Form des Gerrymandering „packt“ man so viele Wähler der gegnerischen Partei in einen Wahlkreis wie nur möglich.
Das führt dazu, dass die Partei dort zwar mit großem Vorsprung gewinnt - aber ihre Stimmen in benachbarten Wahlkreisen fehlen. Man spricht deshalb von „verschwendeten Stimmen“.
Gerrymandering-Strategie 2: Cracking
Man kann die Wählerschaft der gegnerischen Partei aber auch in mehrere Wahlbezirke aufbrechen, also „cracken“.
So entstehen Wahlkreise, in denen die eigene Partei knappe Mehrheiten erreicht.
Diese knappen Mehrheiten will Texas für sich nutzen. Der republikanisch geführte Bundesstaat will die Wahlkreise vor den Midterms im November 2026 neu zuschneiden.
Das Ziel: Mit Gerrymandering bis zu fünf zusätzliche Sitze im Repräsentantenhaus gewinnen.
Aktuell haben die Republikaner dort nur eine knappe Mehrheit von zwei Sitzen – fünf zusätzliche Mandate aus Texas würden ihre Position deutlich stärken.
Die Demokraten schlagen Alarm: Sie werfen den Republikanern vor, mit Gerrymandering gezielt die politischen Stimmen von Minderheiten zu schwächen, was illegal ist.
Allerdings denken auch die Demokraten derzeit über Gerrymandering nach. In Kalifornien will Gouverneur Gavin Newsom „Feuer mit Feuer bekämpfen“, heißt: Auch er will Wahlkreise künftig parteipolitisch beeinflussen. Damit würde Newsom ein System kippen, das auf unabhängige Kommissionen setzt.
Kalifornien galt bislang als Vorbild für faire und neutrale Wahlkreisreformen.
Diese knappen Mehrheiten will Texas für sich nutzen. Der republikanisch geführte Bundesstaat will die Wahlkreise vor den Midterms im November 2026 neu zuschneiden.
Das Ziel: Mit Gerrymandering bis zu fünf zusätzliche Sitze im Repräsentantenhaus gewinnen.
Aktuell haben die Republikaner dort nur eine knappe Mehrheit von zwei Sitzen – fünf zusätzliche Mandate aus Texas würden ihre Position deutlich stärken.
Die Demokraten schlagen Alarm: Sie werfen den Republikanern vor, mit Gerrymandering gezielt die politischen Stimmen von Minderheiten zu schwächen, was illegal ist.
Allerdings denken auch die Demokraten derzeit über Gerrymandering nach. In Kalifornien will Gouverneur Gavin Newsom „Feuer mit Feuer bekämpfen“, heißt: Auch er will Wahlkreise künftig parteipolitisch beeinflussen. Damit würde Newsom ein System kippen, das auf unabhängige Kommissionen setzt.
Kalifornien galt bislang als Vorbild für faire und neutrale Wahlkreisreformen.
Ein Beispiel für ein Gerrymandering-Masterpiece ist North Carolina.
Will man verstehen, warum Gerrymandering in den USA ein Problem ist, lohnt sich ein Blick auf diesen Bundesstaat.
Packing und Cracking wurden in North Carolina eindrücklich umgesetzt.
2011 wurden die Wahlkreise für das US-Repräsentantenhaus in North Carolina neu gezogen.
Das Ergebnis: eigenartig geformte Wahlkreise.
Die Grenzen von Wahlkreis 12 wurden zum Beispiel so gezogen, dass Gegenden mit einer mehrheitlich schwarzen Wählerschaft zusammengenommen wurden.
Später haben Gerichte entschieden, dass diese Neuzuteilung der Wahlkreise wegen „Racial Gerrymandering“ diskriminierend und verfassungswidrig ist.
Statt „Racial Gerrymandering“ machten die Republikaner in North Carolina daher „Partisan Gerrymandering“ (parteipolitisches Gerrymandering).
Demokratische Wähler packten sie in möglichst wenige Wahlkreise, wo diese große Mehrheiten haben.
Republikanische Wähler teilten sie in mehrere Wahlkreise auf, wo sie knappere Mehrheiten bekommen.
2019 hat der Oberste Gerichtshof von North Carolina entschieden, dass auch diese Grenzziehung gegen die Verfassung von North Carolina verstößt.
Die Wahlbezirke, die daraufhin gezogen wurden, sind weniger parteiisch.
Das Problem beim Gerrymandering: Auch wenn eine Partei die Mehrheit der Stimmen in einem Bundesstaat bekommt, gewinnt die Konkurrenz-Partei mehr Sitze im Kongress.
Gerrymandering ermöglicht es einer Partei, die Vertretung im Kongress zu erlangen – und über Jahre aufrechtzuerhalten.
Dass Politiker ihre eigenen Wahlkreise wählen, ist so, als würden Schüler ihre eigenen Tests aufsetzen.
Der Oberste Gerichtshof setzte dem Gerrymandering 2023 Grenzen. Er entschied im Fall von North Carolina, dass auch künftig der Zuschnitt der Wahlkreise vor Gericht überprüft werden kann.
Gerrymandering ist fast so alt wie die Vereinigten Staaten selbst.
Es wurde aber in den vergangenen Jahren immer extremer – auch weil die Karten nicht mehr von Hand gezeichnet, sondern mit Computern und ausgefeilten Daten generiert werden.
Einige Bundesstaaten wie Colorado oder bislang Kalifornien setzen unabhängige Kommissionen für die Neuverteilung der Wahlbezirke ein, um Gerrymandering zu verhindern.
Denn egal, welche Partei sich durch Gerrymandering einen Vorteil verschafft, am Ende ist es ein Nachteil für die Wählenden.
Warum eigentlich Gerrymandering?
Der Begriff Gerrymandering leitet sich von Elbridge Gerry, dem ehemaligen Gouverneur von Massachusetts, ab, dessen Partei einen Wahlkreis 1812 so zuschnitt, dass er einem Salamander glich.
Gerry + Mander = Gerrymander
Quellen:
Tyler Daye, Nichtregierungsorganisation Common Cause; North Carolina General Assembly; The University of North Carolina at Chapel Hill; Supreme Court; Common Cause v. Lewis Trial Court Decision; House Bill 1029 / SL 2019-249 (2019-2020 Session) North Carolina General Assembly
Fotos:
iStock.com/inhauscreative, querbeet
Autorinnen:
Alexandra Hawlin, Katharina Schuster
Redaktion:
Kevin Schubert, Kathrin Wolff
Im Auftrag des ZDF:
Design:
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