Der Ukraine-Krieg im Zeitraffer
So ist die Lage zwei Jahre nach dem russischen Angriff
Vor zwei Jahren überfällt Russland die Ukraine. Putins Truppen besetzen Teile des Landes, doch vielerorts verteidigt sich die Ukraine erfolgreich – und erobert im ersten Kriegsjahr sogar Territorium zurück. Seitdem ist der Frontverlauf starrer: Offensiven und Gegenoffensiven treffen auf erbitterten Widerstand und enden in hohen Verlusten bei geringen Geländegewinnen.
Eine Chronologie.
24. Februar 2022
Russland greift die Ukraine an
Am frühen Morgen beginnt Russland mit Luft- und Raketenangriffen den Krieg gegen die Ukraine. Von mehreren Seiten marschieren Truppen in das Land ein. Russlands Präsident Wladimir Putin spricht von einem „militärischen Spezialeinsatz“. Die Ukraine solle „entnazifiziert“ und die russischsprachige Bevölkerung geschützt werden.
2. März 2022
Erste ukrainische Stadt eingenommen
Russische Truppen nehmen die Stadt Cherson in der Südukraine ein. Vor allem wegen ihrer Nähe zu der von Russland annektierten Halbinsel Krim ist die Region wirtschaftlich und strategisch wichtig.
25. März 2022
Kiew drängt russische Truppen zurück
Russland versucht, Kiew einzukreisen und Charkiw einzunehmen. Doch die ukrainische Armee wehrt sich erfolgreich. Daraufhin verkündet Russland einen Strategiewechsel: Künftig soll sich die Armee auf den Donbass in der Ostukraine konzentrieren.
2. April 2022
Entsetzen über Massaker von Butscha
Nach den russischen Angriffen ist der Kiewer Vorort verwüstet. Zahlreiche Leichen von Zivilist*innen, auch von Kindern, liegen auf den Straßen. Nach Behörden-Angaben wurden mehr als 400 Menschen getötet.
21. Mai 2022
Russische Truppen nehmen Mariupol ein
Russland verkündet nach wochenlanger Belagerung die Einnahme des Asow-Stahlwerks in Mariupol. Fast 2.500 ukrainische Kämpfer kommen in Kriegsgefangenschaft. Damit ist die ostukrainische Hafenstadt unter russischer Kontrolle. Sie wird durch Bomben und Beschuss fast vollständig zerstört.
3. Juli 2022
Region Luhansk unter russischer Kontrolle
Russische Soldaten erobern die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk und bringen damit die Donbass-Region Luhansk komplett unter ihre Kontrolle. In den eingenommenen Gebieten werden russische Pässe ausgegeben und der Rubel als Zahlungsmittel eingeführt.
10. September 2022
Erste Erfolge der ukrainischen Gegenoffensive
Moskau kündigt an, seine Truppen aus der Region Charkiw zurückzuziehen. Ein Erfolg für die ukrainische Gegenoffensive, die mit Hilfe westlicher Waffen die russischen Truppen im Osten und im Süden stark unter Druck setzt.
9. November 2022
Russland zieht Truppen aus Cherson zurück
Unter dem Druck der ukrainischen Gegenoffensive gibt Moskau die einzige im Krieg eroberte Gebietshauptstadt auf. Der russische Rückzug aus Cherson ist ein strategisch wichtiger Sieg für die Ukraine: Ohne Cherson hat Russland keine Möglichkeit, die Ukraine vom Schwarzen Meer abzutrennen.
16. Dezember 2022
Angriffe auf die Stromversorgung
Die russische Armee startet erneut massive Raketenangriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine. Betroffen sind die Hauptstadt Kiew und zahlreiche weitere Regionen. Es handelt sich um eine der schwersten Attacken seit Beginn der russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur des Landes am 10. Oktober.
21. Mai 2023
Russland verkündet Einnahme Bachmuts
Nach fast zehnmonatiger Belagerung ziehen sich die letzten ukrainischen Verteidiger aus Bachmut zurück. Kämpfer der Wagner-Truppe nehmen die verbliebenen Häuserblocks am Westrand der Stadt ein. Die Schlacht gilt als bislang längste und verlustreichste des Krieges. Russland nimmt eine vollständig zerstörte Stadt ein, die im weiteren Kriegsverlauf umkämpft bleibt.
6. Juni 2023
Zerstörung des Kachowka-Staudamms
Am Fluss Dnipro bricht der Kachowka-Staudamm. Weite Teile ukrainischer und russisch-besetzter Gebiete werden überschwemmt. Tausende Menschen müssen ihre Häuser verlassen, es gibt Tote und Verletzte, Bundeskanzler Olaf Scholz spricht von einer „neuen Dimension“ des Krieges.
Die Ukraine macht Russland für die Zerstörung des Damms verantwortlich. Militärisch hilft der Dammbruch vor allem Russland. In einer weiteren Gegenoffensive will die Ukraine im Sommer 2023 bis zum Asowschen Meer und zur Krim durchstoßen. Durch die Überflutung großer Gebiete am Dnipro fällt ein möglicher Angriffsweg vorerst weg.
Zweite Jahreshälfte
Ukrainische Gegenoffensive zur Krim scheitert
Vereinzelt kann die Ukraine im Rahmen ihrer Gegenoffensive 2023 besetzte Gebiete zurückerobern. Doch das große Ziel, die russische Verteidigungslinie zu durchbrechen und bis zum Asowschen Meer und zur Krim vorzustoßen, erweist sich im Nachhinein als unrealistisch: Russlands Frontlinie ist mit Minenfeldern, Gräben und Artillerie im Hinterland gut befestigt und zwingt die ukrainischen Truppen zur Aufgabe ihres ursprünglichen Plans.
17. Februar 2024
Die ukrainischen Streitkräfte ziehen sich aus Awdijiwka zurück, Russland übernimmt die Kontrolle über die Stadt. Der ukrainischen Verteidigung fehlten Artilleriemunition und Raketen für die Luftabwehr.
So ist die Lage zwei Jahre nach Kriegsbeginn
Im Winter 2024 sehen Expert*innen das Momentum wieder auf Russlands Seite. „Der Westen hat der Ukraine nicht die notwendige Unterstützung geliefert, so dass sie sich derzeit nicht ausreichend verteidigen kann und Stellungen verliert – etwa bei Bachmut oder Awdijiwka“, sagt Militärexperte Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Der Ukraine fehle es zwei Jahre nach Kriegsbeginn an Munition, weshalb Russlands Erfolge auch das Resultat einer „Fehlplanung des Westens im letzten Jahr“ seien.
Für die Ukraine komme es im dritten Kriegsjahr nun vor allem auf beständige Munitionslieferungen an, „um im Artilleriekrieg bestehen zu können“. Daneben müsse Kiew neue Streitkräfte rekrutieren – und diese gut ausbilden. „Die Ukraine kann nicht – so wie Russland das macht – Personal unausgebildet in den Krieg schicken, schon weil sie weniger Leute hat“, sagt Mölling. Angesichts dieser Herausforderungen gehe es für die Ukraine 2024 vor allem darum, eine mögliche Offensive 2025 vorzubereiten und die eigene Frontlinie zu halten.
Mit Spannung blickt Mölling auch auf die US-Wahl im November. Bereits Monate vor der Wahl blockieren die von Donald Trump angestachelten Republikaner die Ukraine-Hilfen von Präsident Joe Biden. Der Ausgang der Wahl könnte ein entscheidendes Ereignis im Krieg werden, sagt Mölling, schränkt aber ein: „Wenn andere Unterstützer der Ukraine die Flussgrößen der täglich gelieferten Munition erhöhen, verliert der Ausgang der US-Wahl an Bedeutung.“
Dennoch glaubt auch die Politikwissenschaftlerin und Russland-Expertin Liana Fix, dass „Putin die Wahl in den USA beobachtet und darauf setzt, dass die Unterstützung des Westens nachlässt“. Für Russland gehe es im dritten Kriegsjahr deshalb vor allem darum, die Front weiter zu stärken und zu halten – weshalb auch Fix zunächst „keine großen Veränderungen der Frontlinien“ erwartet.
Hier können Sie den russischen Vormarsch und Rückzug seit Kriegsbeginn noch mal im Zeitraffer-Video sehen:
Weitere Storys zum Thema:
Quellen:
dpa, AP, AFP, Reuters, Interview mit Christian Mölling, Interview mit Liana Fix
Karten:
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Fotos:
dpa, epa, AP, Reuters, AFP
Redaktion:
Kathrin Wolff, Kevin Schubert
Im Auftrag des ZDF:
Autoren:
Charlotte Bauer, Gary Denk, Anne-Kathrin Dippel
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Lea Deusch, Marielle Klein
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