Der Ukraine-Krieg im Zeitraffer
Vor 1.000 Tagen überfällt Russland die Ukraine. Seit dem 24. Februar 2022 besetzen Putins Truppen Teile des Landes, doch vielerorts verteidigt sich die Ukraine erfolgreich – und erobert im ersten Kriegsjahr sogar Territorium zurück. Dann ändert sich lange wenig am Frontverlauf, bis die Ukraine im August 2024 einen Überraschungsangriff auf die russische Region Kursk startet. Zugleich rückt Moskau im Donbass wieder schneller vor.
Eine Chronologie.
24. Februar 2022
Russland greift die Ukraine an
Am frühen Morgen beginnt Russland mit Luft- und Raketenangriffen den Krieg gegen die Ukraine. Von mehreren Seiten marschieren Truppen in das Land ein. Russlands Präsident Wladimir Putin spricht von einem „militärischen Spezialeinsatz“. Die Ukraine solle „entnazifiziert“ und die russischsprachige Bevölkerung geschützt werden.
2. März 2022
Erste ukrainische Stadt eingenommen
Russische Truppen nehmen die Stadt Cherson in der Südukraine ein. Vor allem wegen ihrer Nähe zu der von Russland annektierten Halbinsel Krim ist die Region wirtschaftlich und strategisch wichtig.
25. März 2022
Kiew drängt russische Truppen zurück
Russland versucht, Kiew einzukreisen und Charkiw einzunehmen. Doch die ukrainische Armee wehrt sich erfolgreich. Daraufhin verkündet Russland einen Strategiewechsel: Künftig soll sich die Armee auf den Donbass in der Ostukraine konzentrieren.
2. April 2022
Entsetzen über Massaker von Butscha
Nach den russischen Angriffen ist der Kiewer Vorort verwüstet. Zahlreiche Leichen von Zivilist*innen, auch von Kindern, liegen auf den Straßen. Nach Behörden-Angaben wurden mehr als 400 Menschen getötet.
21. Mai 2022
Russische Truppen nehmen Mariupol ein
Russland verkündet nach wochenlanger Belagerung die Einnahme des Asow-Stahlwerks in Mariupol. Fast 2.500 ukrainische Kämpfer kommen in Kriegsgefangenschaft. Damit ist die ostukrainische Hafenstadt unter russischer Kontrolle. Sie wird durch Bomben und Beschuss fast vollständig zerstört.
3. Juli 2022
Region Luhansk unter russischer Kontrolle
Russische Soldaten erobern die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk und bringen damit die Donbass-Region Luhansk komplett unter ihre Kontrolle. In den eingenommenen Gebieten werden russische Pässe ausgegeben und der Rubel als Zahlungsmittel eingeführt.
10. September 2022
Erste Erfolge der ukrainischen Gegenoffensive
Moskau kündigt an, seine Truppen aus der Region Charkiw zurückzuziehen. Ein Erfolg für die ukrainische Gegenoffensive, die mit Hilfe westlicher Waffen die russischen Truppen im Osten und im Süden stark unter Druck setzt.
9. November 2022
Russland zieht Truppen aus Cherson zurück
Unter dem Druck der ukrainischen Gegenoffensive gibt Moskau die einzige im Krieg eroberte Gebietshauptstadt auf. Der russische Rückzug aus Cherson ist ein strategisch wichtiger Sieg für die Ukraine: Ohne Cherson hat Russland keine Möglichkeit, die Ukraine vom Schwarzen Meer abzutrennen.
Zweites Kriegsjahr
Kaum Veränderungen am Frontverlauf
Im zweiten Kriegsjahr ist der Frontverlauf starrer. Offensiven und Gegenoffensiven treffen auf erbitterten Widerstand und enden in hohen Verlusten bei geringen Geländegewinnen.
10. Mai 2024
Russland startet Großangriff bei Charkiw
Seit Wochen steht Charkiw, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, unter verstärktem Beschuss. Nun beginnt Russland nach Angaben aus Kiew eine massive Bodenoffensive in der Region. In der Folge erlauben die USA und Deutschland der Ukraine, von ihnen gelieferte Waffen auch gegen militärische Ziele hinter der russischen Grenze einzusetzen.
6. August 2024
Überraschungsangriff der Ukraine
Ukrainische Soldaten rücken in die russische Grenzregion Kursk vor. Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, Russland solle den Krieg zu spüren bekommen – und will Moskau wohl zwingen, Truppen aus der Ostukraine nach Kursk zu verlegen.
Herbst 2024
Russland erhöht Druck im Donbass
Trotz des Angriffs auf Kursk erhöht Moskau den Druck in der Ostukraine. Die strategisch wichtige Kleinstadt Pokrowsk ist seit Monaten umkämpft. Zuletzt konnte Russland trotz sehr hoher Verluste mehrere Verteidigungslinien durchbrechen.
So ist die Lage jetzt
1.000 Tage nach Kriegsbeginn versucht Russland, die ukrainisch besetzten Gebiete in der Region Kursk zurückgewinnen – und hat dafür seine Truppen massiv aufgestockt, auch mit nordkoreanischen Soldaten.
„Der Kreml will offenbar noch vor der Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident am 20. Januar die gesamte Region befreien“, sagt Militärexperte Christian Mölling von der Bertelsmann-Stiftung. So wolle Moskau verhindern, dass Kiew die Kursker Gebiete als Druckmittel einsetzt, falls es Trump tatsächlich gelinge, die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu zwingen. Auch in der Ukraine versuche Russland, seine Geländegewinne zu maximieren, trotz sehr hoher Verluste.
Aber könnte Trump wirklich den Krieg beenden? Innerhalb der von ihm angekündigten 24 Stunden wohl kaum, meint Mölling. „Selbst wenn Trump das Anhalten der militärischen Unterstützung nicht nur androhen, sondern tatsächlich vollständig umsetzen würde, dürfte es mindestens mehrere Wochen dauern, bis das wirksam würde“, erklärt er. „Außerdem könnten die europäischen Verbündeten Teile der US-Lieferungen ersetzen, was das Zeitfenster weiter öffnen würde.“
Den größten und schnellsten Schaden könnten die USA der Ukraine zufügen, wenn sie die nachrichtendienstliche Unterstützung einstellen würden. Das würde nach Möllings Einschätzung Kiews Verhandlungsbereitschaft erhöhen – aber den Krieg auch nicht innerhalb von 24 Stunden beenden.
Außerdem könne Trump Russland nicht zwingen, die Kämpfe zu stoppen. Moskau sei derzeit nicht zu einer Kompromisslösung bereit, weil Präsident Wladimir Putin davon ausgehe, dass die Zeit für ihn arbeite.
„Ein Frieden wird meist militärisch vorbereitet“, erklärt Mölling. „Die Gegner müssen beide gleichzeitig erkennen, dass sie ihre militärischen Ziele nicht erreichen werden.“ Das sei bisher nicht der Fall gewesen. Zudem könnten beide Seiten ihr Ziel nicht aufgeben: Für Putin gehe es ums politische Überleben. Und für die Ukraine um das Überleben ihres Landes.
Hier können Sie den Frontverlauf seit dem russischen Überfall auf die Ukraine noch mal im Zeitraffer-Video sehen:
Weitere Storys zum Thema:
Quellen:
dpa, AP, AFP, Reuters, Interview mit Christian Mölling
Karten:
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Fotos:
dpa, epa, AP, Reuters, AFP
Autoren:
Kathrin Wolff, Kevin Schubert
Im Auftrag des ZDF:
Mitarbeit:
Charlotte Bauer, Gary Denk, Anne-Kathrin Dippel
Redaktion:
Lea Deusch, Marielle Klein
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