Stillstand auf der Autobahn
Wieso viele Staus aus dem Nichts entstehen

Gerade in der Ferienzeit sind die Straßen voll und irgendwann steht der Verkehr still, es kommt zu Stau.
2024 wurden in Deutschland 516.000 Staus erfasst mit einer Gesamtlänge von 859.000 Kilometern – das entspricht mehr als 21 Umrundungen der Erde.
Die bei weitem stärkste Ursache für Staus ist Überlastung. Das heißt, es fahren zu viele Fahrzeuge zur selben Zeit auf derselben Strecke in dieselbe Richtung.
Etwa 60 bis 70 Prozent der Staus auf deutschen Autobahnen sind auf Stauwellen zurückzuführen, die sich entgegen der Verkehrsrichtung ausbreiten. Sie entstehen gewissermaßen aus dem Nichts.
Dies passiert vor allem, wenn ein Auto abrupt abbremsen muss, zum Beispiel weil der/die vorangehende Fahrer*in zu dicht auffährt,

plötzlich die Spur wechselt,

oder wenn Fahrer*innen gaffen, z. B. weil ein Unfall auf der gegenüberliegenden Fahrbahn passiert ist.

Für die Autofahrer*innen, die dahinter zum Stehen kommen, ist die Ursache meist nicht erkennbar, für sie entsteht die Verkehrsbehinderung aus dem Nichts.
Zwischen dem Stauauslöser und dem Beginn des Staus liegen häufig etwa 25 Fahrzeuge.
Das Schlimme daran ist, dass diese Stellen des verdichteten Verkehrs wie Pumpen wirken: Es kommt eine Stauwelle nach der anderen.
Warum kommt es zu Staus auf den Autobahnen?
In Deutschland gibt es 13.210 Kilometer Autobahn, gleichzeitig sind gut 61,1 Mio. Fahrzeuge in Deutschland gemeldet.
Das Problem: Die Straßen sind überlastet.
Kommen dann noch Engstellen – etwa an Baustellen – hinzu, steht der Verkehr ganz schnell still.
Hauptursachen für Stau:

Dichter Verkehr kann vor allem in der Rushhour durch Berufspendler*innen, zur Urlaubszeit oder bei Großveranstaltungen entstehen.

Schwierig ist es, wenn die Urlaubsreisewelle zusammenfällt mit Berufsverkehr. Wenn ich also in der Rushhour dann auch noch den Urlaubsverkehr dazurechne, dann wird es in vielen Regionen kritisch. In Deutschland wissen wir genau, wo die Knotenpunkte sind: Das ist Hamburg, das ist das Ruhrgebiet, Köln, der Raum Frankfurt und der Raum München.
Welche Rolle spielt mein Verhalten als Fahrer*in?
Vor allem Unaufmerksamkeit im Straßenverkehr führt dazu, dass der Verkehr nicht gleichmäßig fließen kann.

In einem Experiment konnte nachgewiesen werden, dass sich selbst bei idealen Straßenbedingungen in einer Kettenreaktion durch Abbremsen Stau bildet:
Japanische Forscher*innen ließen 22 Autos in einem Kreis mit einer gleichmäßigen Geschwindigkeit von 30 km/h fahren. Schon nach kürzester Zeit führte das Abbremsen eines einzigen Autos zum Stillstand einiger Fahrzeuge weiter hinten in der Reihe.

Wie sollte die optimale Fahrweise aussehen?
Um den Stillstand auf der Autobahn zu vermeiden, empfehlen Expert*innen vor allem, auf unnötige Fahrmanöver zu verzichten:
1. zügig einfädeln
2. größere Lücken zwischen Fahrzeugen nicht
schließen
3. keine ständigen Spurwechsel

Die Fahrer wollen natürlich immer möglichst schneller sein als andere. […] Dabei fährt man eigentlich besser auf der immer gleichen Spur. Man sollte möglichst wenig Dynamik in den Verkehr geben durch Bremsen, Gas geben und Spurwechsel. Da sollte man sich einfach zurücklehnen und relaxed mitfahren.
Künstliche Intelligenz wird in der Stauforschung schon länger genutzt, stößt laut Experte Schreckenberg aber schnell an ihre Grenzen:
Eine große Hürde: kurzfristige Baustellen. Was noch nie da war, kann auch eine KI nicht vorhersagen. Für Unfälle oder neue Baustellen taugt sie deshalb wenig. Bei Mittelfrist-Prognosen (30 bis 45 Minuten in der Zukunft) sind klassische Datenbanken zuverlässiger. Für kurze Zeiträume funktionieren Rechenmodelle besser. Optimal: eine Kombination von KI-Datensätzen mit Simulationen aus der Stauforschung.
Navigationsprogramme erfassen Staus über sogenannte Floating-Car-Daten von Autos, die bereits im Stau stehen. Die Meldung basiert darauf, was gerade auf der Strecke passiert. Echte Vorhersagen sind das laut Schreckenberg nicht.
Ob es in der Zukunft durch automatisierte Fahrzeuge weniger Staus geben wird, hält der Stauforscher für fraglich.
Über Jahre wird es auf deutschen Autobahnen einen Mix geben: Autonome Autos werden neben solchen fahren, bei denen noch Menschen steuern. Die Abstimmung werde teilweise aber noch problematisch sein.

Expert*innen raten: Wenn wir weniger dicht auffahren, Spurwechsel vermeiden und uns beim Autofahren möglichst selten ablenken lassen, kann der Weg in die Ferien mit weniger Stress zurückgelegt werden.

Diese Story wurde aktualisiert.
Erste Veröffentlichung war im April 2022.
Quellen:
Interview mit Prof. Michael Schreckenberg; ADAC; Kesting, A., Treiber, M. (2010): Datengestützte Analyse der Stauentstehung und -ausbreitung auf Autobahnen; Bundesverkehrsministerium; Kraftfahrbundesamt; Geistefeld, J., Lohoff, J. (2011): Stausituation auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen; Bresges, A., Schradschneider, A. (2017): Der Stau als Forschungsobjekt – Physik des Straßenverkehrs; Sugiyama, Y. et al. (2008): Traffic jams without bottlenecks—experimental evidence for the physical mechanism of the formation of a jam
Redaktion:
Jennifer Werner, Kevin Schubert
Im Auftrag des ZDF:
Autorin:
Marielle Klein
Design:
Mischa Biekehör