Das ist der Stand der Dinge:

Rangliste der Pressefreiheit 2020: Russland Platz 149, Deutschland Platz 11, Nordkorea Platz 180
Um die Pressefreiheit in Russland steht es nicht besonders gut.
Ulrike Gruska, Reporter ohne Grenzen, zuständig für Osteuropa und Zentralasien

Einfluss durch Staatsfernsehen

In Russland kommt nur der an die Macht, wer die Macht übers Fernsehen hat.
Igor Jakowenko, ehemaliger Generalsekretär des russischen Journalistenverbands
Portrait Jakowenko

Als Putin im Jahr 2000 Präsident wird, sichert er sich mit Hilfe von Oligarchen die Kontrolle über das Hauptmedium in Russland: das Fernsehen. Im meist staatlich kontrollierten TV fehlt allerdings unabhängige Berichterstattung.

Ein Beispiel: Die Demonstrationen für Demokratie im Sommer 2019 in Moskau. Im staatlichen Nachrichtensender „Rossija 24” kein Wort in den Abendnachrichten darüber. Stattdessen wird Putin bei einem Tauchgang vor St. Petersburg gezeigt.

27.07.2019

Im russischen Fernsehen findet natürlich keine vollständige Berichterstattung statt.
Ulrike Gruska, Reporter ohne Grenzen

Wie steht es um andere Medien in Russland? 

Ein Stapel mit Zeitungen

Es gibt nur noch wenige Printmedien und unabhängige kritische Tageszeitungen.

Als kremlkritisch gilt zum Beispiel die „Nowaja Gaseta“.

Das Bild zeigt die Titelseite der russischen Zeitung Nowaja Gaseta

Für die Zeitung arbeitete auch Anna Politkowskaja. Die Journalistin wurde 2006 ermordet.

Die führende Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ galt bis vor Kurzem auch noch als weitgehend unabhängig.

Doch im Frühjahr 2020 wurde die Zeitung an einen neuen Investor verkauft und das Blatt wird jetzt offenbar „auf Linie“ gebracht. Der neue Chefredakteur Andrej Schmarow hat den Redakteuren sogleich verboten, Artikel zu veröffentlichen, die die Verfassungsänderungen von Präsident Putin kritisieren, berichtet die Medien-Redakteurin der Zeitung.

Ein relativ offener und freier Raum war bis vor Kurzem auch das russische Internet. Deshalb spielen Blogs und Social Media eine wichtige Rolle in Russlands Medienlandschaft.

Animation eines Handys auf dem Nachrichten aufploppen

Es gibt sehr populäre und erfolgreiche Blogger und auch der bekannte Oppositionspolitiker Nawalny nutzt verschiedene Blogs und Kanäle für seine politische Kommunikation.

Russischer Oppositionspolitiker Nawalny vor einem Laptop
Wenn nun auch dieser Raum zunehmend kontrolliert wird, wird es für kritische Stimmen immer schwieriger, sich zu äußern und unabhängig zu berichten.
Janine Uhlmannsiek, Amnesty International Deutschland, Referentin Europa und Zentralasien

Jetzt will der Kreml auch das Internet überwachen

Das russische Parlament verabschiedet regelmäßig Gesetze, die russische Internetuser unter Druck setzen.

  • Blockierung von „extremistischen“ Websites
  • Vorratsdatenspeicherung
  • Abkoppelung des russischen Internets im Ernstfall

Das sagt die russische Regierung:

Von Einschränkungen oder dem Erschaffen eines unabhängigen Internets [...] kann keine Rede sein.
Leonid Lewin, Ausschuss für Informationspolitik Russland

Viele Internetuser umgehen die staatliche Kontrolle jedoch erfolgreich, etwa indem sie den Messenger „Telegram“ nutzen.

Handybildschirm mit dem Logo des Messengers Telegram

Die erfolgreiche, russische Messenger-App ist dem Kreml schon lange ein Dorn im Auge, denn:

  • Telegram wird in Russland (erfolglos) blockiert
  • weigert sich, mit Behörden zu kooperieren
  • keine Zensur

Mittlerweile nutzen auch Staatsmedien die App, um per Push-Nachricht vor allem jüngere Russen zu erreichen.

Oppositionelle informieren und mobilisieren dort über ihre Kanäle – wie im Fall des Journalisten Iwan Golunow.

Der Fall Golunow

Der Investigativ-Journalist Iwan Golunow recherchierte zu Korruption im Büro des Moskauer Bürgermeisters und bekam Probleme.

Die Polizei fand angeblich Drogen bei Golunow, versteckt in einem Rucksack in Golunows Wohnung. Die Drogen hatten ihm offenbar Polizisten untergejubelt – in Russland leider keine Seltenheit.

Das sorgte für eine unerwartete Welle an Solidarität.

Der Prozess gegen Golunow verlief unerwartet: Der 37-Jährige wurde freigesprochen. Anschließend verklagte er die Polizisten. Sie stehen wegen des Vorwurfs des Unterjubelns der Drogen vor Gericht.

Ein Urteil steht jedoch noch aus.

Ich werde meine Arbeit fortsetzen, weiter Untersuchungen anstellen.
Iwan Golunow, Investigativ-Journalist

Portrait Iwan Golunow
Iwan Golunow zusammen mit Unterstützern
Demonstrant mit Russlandflagge in der Hand
Polizisten führen einen ehemaligen Kollegen ab, der Golunow Drogen untergeschmuggelt haben soll

Der Druck wird in Zeiten von Corona größer

Mann mit Atemschutzmaske holt sich einen Einkaufswagen

Mitten in der weltweiten Corona-Epidemie verabschiedete die Duma im März 2020 außerdem ein neues Gesetz, das gegen die Verbreitung von Falschnachrichten im Zusammenhang mit dem Corona-Virus vorgeht.

Es gibt also nur wenige Stimmen, die öffentlich die Probleme im Gesundheitssystem benennen. Oft haben die Ärzte und Krankenhaus-Chefs Angst zu sagen, dass ihnen etwas fehlt.
Anastasia Nowkunskaja, Europäische Universität St. Petersburg
Portrait Nowkunskaja

Kritiker befürchten, dass auch das „Fake News”-Gesetz dazu beiträgt, dass Inhalte zensiert werden.

Auch unser Russland-Korrespondent Christian Semm erlebt jeden Tag, wie sich die mangelnde Pressefreiheit auswirkt.

Eigentlich ist die Pressefreiheit in der russischen Verfassung garantiert. [...] Doch die Realität sieht anders aus.
Christian Semm, ZDF-Korrespondent in Moskau

Quellen:
Reuters, dpa, The Moscow Times, Reporter ohne Grenzen

Fotos:
ap, arno burgi/dpa, epa, iStock, reuters

Autoren:
Christian Semm, Jan Lindenau

Redaktion:
Karsten Kaminski, Jennifer Werner

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