Polizeigewalt in den USA

Kein Einzelfall

23.08.2020, Kenosha, Wisconsin

Der 29 Jahre alte Familienvater Jacob Blake wird durch sieben Schüsse der Polizei in seinen Rücken schwer verletzt. Auf einem Video ist zu sehen, wie Blake zu seinem Auto geht, gefolgt von zwei Polizisten mit gezogenen Waffen. Eine der Waffen ist auf seinen Rücken gerichtet. Als Blake die Fahrertür öffnet und sich ins Auto beugt, fallen die Schüsse.

Es kommt zu gewaltsamen Protesten. Wisconsin ruft den Notstand aus.

Funken sprühen vor einem Polizeiauto aus Kenosha, während Demonstranten am Protest nach den Schüssen auf Jacob Blake teilnehmen.

Die Mutter des schwer verletzten Jacob Blake ruft zum Ende von Rassismus in den USA auf.

Ich wende mich an alle, egal ob weiß, schwarz, japanisch, rot, braun. Niemand ist dem anderen überlegen.
Julia Jackson, Mutter von Jacob Blake
Julia Jackson, Jacob Blakes Mutter, spricht während einer Pressekonferenz außerhalb des Kenosha County Courthouses in Wisconsin, USA.

Datum: 25. Mai 2020, Minneapolis, Minnesota

George Floyd (46) stirbt bei einem gewaltsamen Polizeieinsatz. Einer von vier beteiligten Polizeibeamten kniet 8 Minuten und 46 Sekunden lang auf seinem Hals. 

Graffiti von George Floyd an der Wand, davor liegen Blumen

George Floyd wurde verdächtigt, mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben. 

Als Reaktion gehen in Minneapolis tausende Menschen auf die Straße und fordern Gerechtigkeit für den Tod Floyds. Es kommt zu Ausschreitungen und Plünderungen. 

Die Polizei geht mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor.

Demonstranten stehen in Tränengas-Wolke
Warum muss dieses System so korrupt und kaputt sein? [...] Keine Hassverbrechen mehr, bitte.
Brooke Williams, Nichte von George Floyd | 09.06.2020

Datum: Ab 27. Mai 2020

Proteste im ganzen Land

Die Proteste breiten sich in den USA aus. Sie richten sich gegen Polizeigewalt und Rassismus gegenüber Schwarzen.

Die allermeisten Proteste bleiben friedlich, doch es kommt auch immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten.

Zitat auf Papier: “Was mich am meisten berührt: Es geht um mein Leben. Ich bin schwarz und auch schon Zielscheibe der Polizei geworden und habe über Polizeigewalt berichtet. Das ist hart, weil ich nicht so genau weiß, wie ich zu dem Ganzen stehen soll. Ich erlebe es gleichzeitig selbst, während ich darüber berichte, das ist traumatisierend.”  Gabriella Angotti-Jones   Fotojournalistin in Los Angeles
Zitat auf Papier: “Es sind kleine Anfeindungen im Alltag: Menschen, die mir in Läden folgen, die infrage stellen, ob ich hierhergehöre. Beispielsweise werde ich im Kaufhaus automatisch für eine Angestellte oder Hilfskraft gehalten, das sind die kleinen Anfeindungen, mit denen ich mich im Alltag als schwarze Frau auseinandersetzen muss. Das ist ermüdend, wenn Menschen ständig hinterfragen, ob du es wert bist, oder deine Arbeit, ob du hier sein darfst und deine Stimme.”    Tasha Whitney   Demonstrantin in Washington, D.C.
Zitat auf Papier: "Ich denke, unsere Berichterstattung, die die Plünderungen und Proteste automatisch gleichsetzt, ist wirklich entmenschlichend. Es delegitimiert die Anstrengungen der Demonstranten. Ich glaube, es ist wirklich frustrierend für sie. Ich sehe viele Plakate, auf denen Menschen fordern: Fotografiert die Wahrheit.”   Tara Pixley / Fotojournalistin in Los Angeles

Polizeigewalt gegen Schwarze hat in den USA eine lange Geschichte.

Drei Beispiele aus der Vergangenheit: 

Datum: 3. März 1991, Los Angeles, Kalifornien

Schüsse mit der Schreckschusspistole, zahlreiche Tritte, und mehr als 50 Stockschläge von Polizeibeamten: 

Ein Amateur-Video geht um die Welt. Zu sehen: Vier Polizisten, die einen Afroamerikaner nach einer Verfolgungsjagd zusammenschlagen.

Rodney King (25) heißt das Opfer, er trägt schwere Verletzungen davon. 

Foto von Rodney King mit Verletzungen im Gesicht

Die Polizisten hatten ihn wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr gestoppt. Die Beamten werden im April 1992 zunächst freigesprochen.

Die Folge: Unruhen, Plünderungen und Brandstiftungen in Los Angeles. Mehr als 50 Menschen werden dabei getötet, mehr als 2.000 verletzt.

Der Notstand wird ausgerufen. Durch das Eingreifen der Armee werden die Proteste schließlich beendet.

Zwei der Polizisten werden im Revisionsverfahren zu 30 Monaten Haft verurteilt, Rodney King bekommt eine millionenschwere Entschädigung. 

Datum: 9. August 2014

Michael Brown (18) wird von einem weißen Polizisten auf offener Straße erschossen. 

Portrait Michael Brown

Der Vorwurf der Polizei: Brown sei auf der Straße gelaufen und habe den Verkehr blockiert. 

Ein Zeuge sagt hingegen, Brown sei die Straße entlanggelaufen, habe die Arme hochgehoben und „Nicht schießen!“ gerufen. 

Es folgen schwere Unruhen. 

Später tritt der Polizeichef von Ferguson, Tom Jackson, zurück. 

Der Polizist wird nicht angeklagt. Das Justizministerium befindet, er habe in Notwehr gehandelt.  

Datum: 13. März 2020

Breonna Taylor (26) wird in ihrer eigenen Wohnung erschossen. 

Acht Kugeln treffen die 26-jährige medizinisch-technische Assistentin, nachdem Drogenfahnder ihre Wohnungstür eingeschlagen hatten. 

Portrait Breonna Taylor

Doch es werden keine Drogen in ihrer Wohnung gefunden. 

An ihrem Geburtstag gedenken ihr zahlreiche User auf Social-Media-Plattformen:

Polizeigewalt gegen Schwarze ist Alltag in den USA.

Im vergangenen Jahr wurden in den USA laut Washington Post insgesamt 1.099 Menschen durch Polizisten getötet. 

24 Prozent der Getöteten waren demnach Schwarze, obwohl sie nur 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen. 

Amerikaner mit schwarzer Hautfarbe sterben fast drei Mal so häufig bei Polizeieinsätzen wie Weiße. 

Menschen aller Hautfarben protestieren nun weltweit gegen Diskriminierung und Gewalt gegenüber People of Color.

Quellen:
AFP, AP; dpa, dapd

Fotos:
AP, ddp images, epa, GettyImages.com/Jason Connolly, Reuters

Autoren:
Alica Jung, Lucas Eiler

Redaktion:
Jennifer Werner, Karsten Kaminski

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