Die große Ost-Bilanz

30 Jahre nach der Einheit

Deutschlandkarte Aufteilung: Ostdeutschland Westdeutschland
Deutschlandkarte Aufteilung: Ostdeutschland Westdeutschland
Deutschlandkarte Aufteilung: Ostdeutschland Westdeutschland
Deutschlandkarte Aufteilung: Ostdeutschland 19,5 % der Gesamtbevölkerung, Westdeutschland 80,5 %
Deutschlandkarte Aufteilung: Ostdeutschland Westdeutschland
Breitbandverfügbarkeit 2019, Osten: 87,2 %, Westen: 93,1 %
Anteil der ausländischen Bevölkerung im Osten 7,9 %, im Westen 13,2 %

In den vergangenen 30 Jahren hat sich in Deutschland viel verändert. Womöglich mehr als viele Menschen glauben, wie unsere exklusive ZDFzeit-Studie zeigt.

Die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West ist aber noch nicht in allen Bereichen erfolgt:

Wo leben die Deutschen – in Ost oder West?

Viele Ostdeutsche sind direkt nach der Wende in den Westen gezogen, seit 1991 schrumpft daher die Bevölkerung im Osten.

Heute leben hier 16 Millionen Menschen.

Seit 2011 wächst die Bevölkerung im Osten aber wieder an. Zwei Jahre später kommen sogar mehr Menschen vom Westen in den Osten als andersherum.

Die Menschen zieht es aber nur in einige wenige Ballungsräume, wie Berlin, Potsdam und Leipzig.
Auf dem Land im Osten ist die Bevölkerungsentwicklung dagegen weiterhin rückläufig.

Dieser abnehmende Trend ist im Osten zwar stärker ausgeprägt, zeigt sich aber auch in einigen westdeutschen Regionen. Nichtsdestotrotz war die Bevölkerungsentwicklung in vielen west- und süddeutschen Regionen in den letzten Jahren stabil bis leicht positiv.

Aber gibt’s denn im Osten schnelles Internet?

Die ZDFzeit-Studie zeigt: Alle ostdeutschen Flächenländer erreichen im Hinblick auf schnelles Internet die letzten Plätze im Ranking. Im Westen ist Rheinland-Pfalz am schlechtesten vernetzt – trotzdem haben hier 90 % der Haushalte schnelles Internet.

Ein Grund: Die Breitband-Ausbauziele der Bundesregierung richten sich maßgeblich an der Zahl der erreichten Haushalte – dünn besiedelte Gebiete, wovon viele im Osten liegen, sind daher tendenziell schlechter ausgestattet.

Wo wir altern

Gerade jüngere ostdeutsche Menschen zog es nach der Wende in Richtung Westen – dazu kommt ein enormer Geburtenrückgang. Der Osten ist seit der Einheit fast doppelt so schnell gealtert wie der Westen.

Laut unserer ZDFzeit-Studie wird 2030 voraussichtlich jede dritte Person in Ostdeutschland älter als 64 Jahre sein.

Wer ist internationaler?

Die Bevölkerung in Ostdeutschland ist nicht nur deutlich älter, sie ist auch weniger international geprägt als im Westen. Der Ausländeranteil ist im Westen deutlich höher.

Wie steht es um die Wirtschaft?

Symbolbild Wirtschaft
 Deutschlandkarte Aufteilung: Ostdeutschland Westdeutschland
Rückgang der Erwerbstätigen im Osten: 3,1 %, im Westen 4,3 %
 Deutschlandkarte Aufteilung: Ostdeutschland Westdeutschland
Bruttomedianeinkommen Osten 2.827, Westen 2.526 €
Arbeitslosenquote 2019: Osten 6,4 %, Westen 4,7 %
Top 500 Unternehmen in Deutschland: 42 liegen im Osten, 458 im Westen
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Pkw-Fahrzeit zum nächsten IC/EC/ICE-Bahnhof im Osten 30 Minuten, im Westen 25 Minuten
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Anteil an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Branchen mit einer hohen Betroffenheit an allen Branchen in Prozent im Osten 18, 1 %, im Westen 23,4

Dem Osten fehlt es an jungen Arbeitskräften.

Der Fachkräftemangel schlägt hier besonders ein.

Das macht sich in einem deutlichen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials (14 bis 65 Jahre) bemerkbar. In Ostdeutschland wird zwischen 2020 bis 2030 ein Rückgang um 7,8 Prozent (ohne Berlin -10,2 %) und im Westen um 6,8 Prozent erwartet.

Auch beim Lohn gibt es immense Unterschiede:
Die Menschen im Osten verdienen im Mittel 700 Euro brutto weniger.

Einer der Gründe: Im Westen sind mehr als die Hälfte der Beschäftigten tarifgebunden, im Osten nur 45 %.

Die Entwicklung zeigt aber: Seit 1991 sind die ostdeutschen Gehälter (+162 %) im Vergleich mehr als doppelt so stark gewachsen wie im Westen (+72 %).

Auch bei der Arbeitslosenquote muss man zwei Seiten betrachten:

Im Osten sind überproportional viele Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen – aber die Arbeitslosenquote konnte seit 1994 bereits mehr als halbiert werden.

Die Gründe dafür sind u. a.:

  • Erwerbsfähige sind aus dem Osten in den Westen gezogen
  • ältere Arbeitslose sind in den Ruhestand gegangen
  • seit 2011 konnte auch der Osten von neuen Jobs profitieren

Ist der Osten für Unternehmen jetzt attraktiver?

Aktuell liegen von den 500 umsatzstärksten Unternehmen 92 Prozent im Westen. Typisch für den Osten sind kleinere, mittelständische Familienunternehmen.

Aber es gibt Hoffnung:
Große Firmen wagen seit kurzem den Schritt in den Osten. Im brandenburgischen Grünheide sollen bald z. B. jedes Jahr eine halbe Million Elektro-Autos vom Band gehen.

Die Wirtschaft ist noch ausbaufähig

Geschätzte 1,6 Billionen Euro sind bislang in die neuen Bundesländer geflossen. Trotzdem steht der Osten bei der Wirtschaftskraft heute nur dort, wo Westdeutschland vor rund zehn bis zwölf Jahren stand.

In Sachen Infrastruktur hat sich der Osten an den Westen angeglichen.

Bis zum nächsten großen Bahnhof brauchen die Westdeutschen im Schnitt 25 Minuten, im Osten gerade mal fünf Minuten länger.

Die nächste Autobahnauffahrt ist ähnlich weit.

Durchschnittliche Pkw-Fahrtzeit zur nächsten BAB-Anschlussstelle (2018)
Osten: 18 Minuten
Westen: 14 Minuten

Schwächt Corona den positiven Trend?

Die Corona-Krise hat die wirtschaftliche Situation in ganz Deutschland verschärft:

  • Arbeitslosenquote im Westen nahm um 27 % zu (Zeitraum: August 2019 bis August 2020)
  • Arbeitslosenquote nahm im Osten um 22 % zu(Zeitraum: August 2019 bis August 2020)
  • bis zu sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit (Stand August 2020)

Dieser Einbruch betrifft aber nicht alle Branchen und Regionen gleichermaßen.

Der Osten ist mit einem hohen Anteil an weniger schwankungsanfälligen Branchen krisenfester als der Westen – denn der ist wesentlich exportabhängiger.

Gemeinsam weiter

Die ZDFzeit-Studie zeigt:
Das Wohlstandsgefälle zwischen Ost und West ist seit der Jahrtausendwende kleiner geworden, zwischen Nord und Süd haben die Einkommensunterschiede jedoch zugenommen. Neben der geografischen Lage ist daher vor allem die Entwicklung von Stadt und Land entscheidend für die wirtschaftlichen Perspektiven.

Methodik:
Für ZDFzeit hat das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos ein Team zusammengestellt, bestehend aus Volkswirten, Geographen, Politologen und weiteren Experten und Expertinnen. Über mehrere Monate hinweg haben sie tausende Daten gesichtet, dutzende Statistiken ausgewertet, zusammengeführt und interpretiert. Herausgekommen ist eine exklusive Studie: Wo steht Deutschlands Wirtschaft nach 30 Jahren Einheit?

Quellen:
Prognos AG,
Bundesagentur für Arbeit, Destatis, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, atene KOM GmbH, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Welt, Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

Foto:
iStock.com/olaser

Redaktion:
Jennifer Werner, Karsten Kaminski

Im Auftrag des ZDF:

Redaktion:
Niels Büngen, Sophie Gülzow

Design:
Jens Albrecht