Wie schlimm ist die Omikron-Welle?

Wegen Omikron gehen die Inzidenzen in Deutschland seit Wochen durch die Decke. Aber eine steigende Inzidenz ist nur ein Parameter, der die Lage der Omikron-Welle zeigt.

Um zu beurteilen, wie schwer uns Omikron trifft, müssen auch andere Daten herangezogen werden: Krankenhausaufnahmen, Intensivbetten, Todesfälle.

Wie schlimm die Omikron-Welle in den Krankenhäusern verläuft, lässt sich noch nicht abschließend beantworten. Aber es gibt erste Hinweise aus norddeutschen Bundesländern, wo Omikron zuerst angekommen ist – teils mit Inzidenzen über 2.000.

Zum Beispiel Hamburg:

Die Inzidenz in Hamburg steigt seit Wochen und ist so hoch wie noch nie während der Pandemie.

Zum Vergleich: Zum Höhepunkt der zweiten Welle vergangenen Winter lag die Inzidenz bei 184.

Nimmt man diesen Wert als Vergleichspunkt (= 100 Prozent), dann ist die Inzidenz heute zehnmal so hoch wie damals.

Mithilfe der gestrichelten Linie können Sie in den folgenden Diagrammen die aktuellen Daten mit der zweiten Welle vergleichen.

Der Grund für die hohen Infektionszahlen: Omikron verbreitet sich schneller, weil es den bisherigen Immunschutz durch Erkrankung und Impfung zum Teil umgeht.

Die hohe Zahl bildet nur einen Teil der Pandemie ab, denn:

  • Eine Infektion bedeutet nicht unbedingt einen schweren Krankheitsverlauf.
  • Die Inzidenz wird durch die sinkenden Testkapazitäten weniger aussagekräftig.

So wird der Blick auf die Krankenhausdaten umso wichtiger.

Die Omikron-Welle ist in stark betroffenen Bundesländern auch schon in den Krankenhäusern angekommen.

In Hamburg liegt die Zahl der Krankenhausaufnahmen bereits über dem Höhepunkt der zweiten Welle.

Die Krankenhäuser sind belastet. Aber es ist eine kontrollierte und kontrollierbare Situation.
Dr. Claudia Brase, Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (28.01.22)

Es ist nicht klar, wie viele Patient*innen eigentlich wegen einer anderen Erkrankung (z. B. eines Herzinfarktes) ins Krankenhaus gekommen sind – und zusätzlich Corona haben. Genaue Daten liegen der Hamburger Krankenhausgesellschaft nicht vor, aber:

Mit den hohen Inzidenzen in der Bevölkerung nimmt auch der Anteil der Patienten zu, die wegen eines anderen Anlasses ins Krankenhaus kommen und dann eben auch zufällig positiv auf das Coronavirus getestet werden.
Dr. Claudia Brase, Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (28.01.22)

Deshalb ist zur Abschätzung der Lage zusätzlich ein Blick auf die besonders schweren Covid-Verläufe, die auf der Intensivstation landen, notwendig.

Die Zahl der Intensivpatient*innen ist bisher noch nicht so hoch wie im vergangenen Winter.

In Hamburg gibt es aktuell etwa 35 Prozent weniger Covid-Intensivfälle als zum Höhepunkt der zweiten Welle.

Es ist aber noch zu früh, um sogar von einem Abwärtstrend auf den Intensivstationen zu sprechen. Der Grund: Menschen, die sich aktuell infizieren, kommen womöglich erst in einigen Wochen ins Krankenhaus oder auf die Intensivstation.

Erste Hinweise gibt es aus Bremen. Dort liegt die Inzidenz seit einigen Tagen stabil bei ca. 1.400 bis 1.600 – nachdem die Inzidenz vier Wochen lang steil gestiegen ist.

Bei Omikron sieht es so aus, dass wir weniger Patienten in den Intensivbereichen haben.
Uwe Zimmer, Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft (31.01.22)

Allerdings könnte das noch kommen.

Ich würde erwarten, dass auch die Intensivbelegung – trotz des individuell durch Omikron im Vergleich zu Delta erniedrigten Risikos – wieder ansteigen wird.
Dr. Berit Lange, Epidemiologin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (01.02.22)

In Vorhersagen aus Modellierungen, die aktuell mit hoher Unsicherheit behaftet sind, würden die Kapazitäten der Intensivstationen nicht im gleichen Maße wie noch während früherer Varianten überschritten, so Lange.

Aber ein deutlicher Anstieg der Covid-Patient*innen, die eine Intensivbehandlung benötigen, sowie eine relevante Belastung der Intensivstationen seien möglich.

Die Zahl der täglichen Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 ist bisher deutlich niedriger als noch im vergangenen Winter.

In Hamburg sterben derzeit etwa 65 Prozent weniger Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 als noch vor einem Jahr.

Insgesamt ist es allerdings noch zu früh, um die Folgen der Omikron-Welle auf Krankenhäuser und Todesfälle abschätzen zu können, denn:

  • Die Omikron-Welle ist noch nicht vorbei. Vor allem in ostdeutschen Bundesländern mit niedriger Impfquote steigt die Inzidenz gerade erst wieder an.
  • Hospitalisierungen und Todesfälle folgen mit einigen Wochen Verzug auf Infektionen. Die Effekte der heutigen Infektionszahlen sind noch nicht in den Krankenhäusern zu sehen.
  • Aktuell infizieren sich vor allem Jüngere, mit niedrigerem Risiko eines schweren Verlaufs.
Es ist davon auszugehen, dass die Belastung der Normalstationen durchaus an die letzten Wellen herankommen und diese auch überschreiten könnte.
Dr. Berit Lange, Epidemiologin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (01.02.22)

Und dann wäre auch zu erwarten, dass die Zahl der Covid-Intensivpatient*innen wieder steige, so Lange.

Fazit:

Insgesamt scheinen die extrem hohen Inzidenzen nicht im gleichen Maße auf die Krankenhäuser durchzuschlagen wie frühere Wellen – zumindest bisher. Das zeigen erste Daten aus den bislang stark betroffenen Bundesländern.

Die Gründe:

  • Drei von vier Menschen in Deutschland sind mittlerweile geimpft – und damit gut vor schweren Omikron-Verläufen geschützt.
  • Omikron verläuft unabhängig vom Impfstatus insgesamt etwas milder als Delta.

Aber: Auch wenn die Omikron-Welle die Krankenhäuser bisher noch nicht überlastet, ist die Situation in vielen Kliniken weiter kritisch.

Denn die früheren Wellen hatten und haben einen Preis: Überarbeitete Pflegekräfte, zu wenig Personal und die Isolation von Covid-Patient*innen bringen Kliniken ans Limit.

Ausfälle durch erkranktes Personal haben sehr spürbar und sehr schmerzlich zugenommen und werden auch weiter zunehmen.
Dr. Claudia Brase, Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (28.01.22)

Quellen:
Robert-Koch-Institut;
Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (03.02.2022);
Risklayer/CEDIM (KIT);
Divi-Intensivregister; Hay et al.: Viral dynamics and duration of PCR positivity of the SARS-CoV-2 Omicron variant (2022, Preprint);
3. Stellungnahme des ExpertInnenrates der
Bundesregierung zu COVID-19 (22.01.22);
Dr. Sandra Ciesek: Coronavirus-Update des NDR (18.01.22); NHS England;
Dr. Claudia Brase, Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft; Uwe Zimmer, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Bremen;
Dr. Berit Lange, Epidemiologin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Fotos:
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Autor:
Robert Meyer

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