Bessere Luft im Shutdown?

So stark ist der Corona-Effekt wirklich

Erstmals geben Daten Hinweise darauf, wie sich der Stillstand von Verkehr und Industrie unabhängig vom Wetter auf die Luftqualität deutscher Städte ausgewirkt hat.

Der (trügerische) Blick aus dem All

In 824 Kilometern Höhe umkreist der Forschungssatellit „Sentinel-5P“ die Erde. Er liefert regelmäßig Daten über die Konzentration von Schadstoffen in der Atmosphäre.

Mittlere NO₂-Konzentration in der Troposphäre (µmol/m²)
Mittlere NO₂-Konzentration in der Troposphäre (µmol/m²)
Mittlere NO₂-Konzentration in der Troposphäre (µmol/m²)

Zwischen dem 16. März und 19. April 2019 sah die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO₂) über Europa demnach so aus.

Und so ein Jahr später, während des ersten Shutdowns.

Deutlich zu erkennen sind auch die NO₂-Emissionen des Schiffsverkehrs zwischen Antwerpen und der Meerenge von Gibraltar.

Solche Vergleiche sind eindrucksvoll, erzählen aber nur die halbe Wahrheit. Auch, weil die Satelliten nicht dort messen, wo die Schadstoffe für Menschen gefährlich werden. Das können nur Messgeräte am Boden.

Warum wetterbereinigte Daten aussagekräftiger sind

Allerdings liefern Messstationen am Boden bei bestimmten Wetterlagen sehr niedrige Werte, zum Beispiel bei starkem Wind. Der Grund: Schadstoffe verteilen sich schneller – egal, ob gerade viele oder wenige Autos unterwegs sind.

Symbolbild wind

Wettereffekte wie Wind, Regen und Luftfeuchtigkeit müssen daher herausgerechnet werden. Ein simpler Vergleich mit NO₂-Daten aus dem Jahr vor der Pandemie reicht nicht.

NO₂-Werte gehen tatsächlich zurück

Das Centre for Research on Energy and Clean Air (Crea) hat diese meteorologischen Effekte aus Daten aller Messstationen der zehn größten deutschen Städte exklusiv für ZDFheute herausgerechnet. Das Ergebnis:

No2-Konzentration in der Luft

Auch wetterbereinigt gingen während des Shutdowns im Frühjahr in allen Städten die NO₂-Werte in der Luft stark zurück.

Während des Teil-Shutdowns im November nahmen die Werte hingegen weniger stark ab.

In Großstädten, insbesondere an Messstationen in Straßennähe, gelten Autos als die Haupttreiber von NO₂-Emissionen.

Dazu passt ins Bild: In Pandemie-Zeiten sind deutlich weniger Autos unterwegs.

Auch hier ist der Rückgang im November schwächer als im Frühjahr.

Die deutlichste Abnahme der NO2-Konzentration im November im Vergleich zu Oktober gab es in Frankfurt und Stuttgart. Dort ging gleichzeitig auch der Verkehr stark zurück. In Düsseldorf, Köln und Dortmund, wo die NO2-Werte nicht oder nur geringfügig sanken, nahm auch der Verkehr nur leicht ab.

So stark ist der Corona-Effekt

Die wetterbereinigten Daten zeigen, dass die Corona-Maßnahmen tatsächlich Auswirkungen auf die Luftqualität haben. Wie viele Autos auf den Straßen unterwegs sind, spielt dabei eine Rolle. Die ZDFheute-Analyse zeigt:

In den zehn untersuchten Städten gibt es einen großen Zusammenhang zwischen Verkehr und Luftqualität.

Wie wurden die Daten wetterbereinigt?
Der Think-Tank Crea hat für ZDFheute ein Machine-Learning-Modell trainiert, das Wettereffekte auf die gemessene Luftqualität identifiziert und anschließend korrigiert. Weitere Informationen zur Methodik finden Sie auf der Crea-Webseite.

Kann ich die Ergebnisse selbst überprüfen?
Ja, Daten und Teile der Analyse sind öffentlich auf Github verfügbar. Dort steht auch ein R-Skript zur Verfügung. Informationen zu den untersuchten Messstationen finden Sie ebenfalls auf Github: kurz.zdf.de/luft/

Quellen:
Copernicus (CAMS-Analyse), Sentinel-5P/Google Earth, Crea, Umweltbundesamt, TomTom

Fotos:
iStock.com/Rattankun Thongbun, dpa

Autor:
Simon Haas

Redaktion:
Jennifer Werner
Karsten Kaminski

Im Auftrag des ZDF:

Redaktion:
Sophie Gülzow

Design:
Jens Albrecht