Leben mit Long Covid
Was von der Pandemie bleibt





Chronische Erschöpfung, Brain Fog, Herzrasen – Long Covid ist eine der weniger sichtbaren Folgen der Pandemie, doch für langfristig Erkrankte eine große Belastung. Wir haben mit Betroffenen gesprochen: Wie geht es ihnen heute, fünf Jahre nach Pandemie-Beginn?







Chronische Erschöpfung, Brain Fog, Herzrasen – Long Covid ist eine der weniger sichtbaren Folgen der Pandemie, doch für langfristig Erkrankte eine große Belastung. Wir haben mit Betroffenen gesprochen: Wie geht es ihnen heute, fünf Jahre nach Pandemie-Beginn?



Wann ist von Long Covid die Rede?
Unter dem Begriff Long Covid werden Beschwerden zusammengefasst, die vier Wochen nach Ansteckung mit Covid anhalten, neu auftreten oder wiederkehren.
Den Begriff Long Covid gab es zu Beginn der Pandemie noch nicht. Ab Mai 2020 wurde er von Betroffenen geprägt und verbreitete sich schnell als Bezeichnung der Corona-Langzeitfolgen.
Anni Conrad entwickelte Langzeitbeschwerden nach ihrer Corona-Infektion im Frühjahr 2020.


Wie äußert sich Long Covid?
Manche Betroffenen haben nur ein einzelnes, anhaltendes Symptom, etwa Konzentrationsstörungen. Bei ihnen bilden sich die Beschwerden nach einigen Monaten zurück oder heilen aus.
Andere Betroffene leiden längerfristig unter den Folgen und entwickeln das chronische Erschöpfungssyndrom ME/CFS. ME/CFS gilt als schwerste Form von Long Covid, tritt aber auch nach anderen Viruserkrankungen wie der Grippe oder dem Pfeifferschen Drüsenfieber auf.
Auch bei Natascha Lüsgo, Anni Conrad und Doris Haupt wurde ME/CFS diagnostiziert.



Wie viele trifft Long Covid weltweit?
Unterschiedliche Forschungsmethoden, Diagnosekriterien und Virusvarianten erschweren es, die Zahl der Long-Covid-Betroffenen genau zu beziffern. Dennoch lässt sie sich auf Grundlage der bisherigen Forschung schätzen.
Forschende aus den USA gehen nach systematischer Auswertung vorliegender Studien von 65 Millionen Betroffenen im ersten Jahr der Pandemie aus.
Für 2023 gehen die Forschenden von 409 Millionen Betroffenen aus – also etwa fünf Prozent der Weltbevölkerung. Laut den Studienautor*innen handelt es sich dabei um eine eher zurückhaltende Schätzung.
Auch für Deutschland wird davon ausgegangen, dass fünf Prozent der Bevölkerung betroffen sind – also rund vier Millionen Menschen.



Wie entsteht Long Covid im Körper?
Wie genau Long Covid bei den Erkrankten entsteht, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Forschung liefert jedoch zunehmend Erkenntnisse, welche Prozesse im Körper der Betroffenen ablaufen.
Als weitgehend gesichert gilt: Beim Entstehen von Long Covid gibt es verschiedene Mechanismen und das Krankheitsbild ist komplex.
Bei einer länger anhaltenden Infektion kommt es zu einer starken Aktivierung des Immunsystems. Das kann anhaltende Folgen haben, zum Beispiel länger bleibende Entzündungen in nur schlecht heilendem Gewebe. Oder auch die Bildung von sogenannten Auto-Antikörpern, die sich gegen körpereigene Strukturen richten.
Das Immunsystem beeinflusst auch das persönliche Risiko für die Entwicklung von Long Covid.
Menschen, die ein aktives Immunsystem haben – sei es im Zusammenhang mit einer Allergie, Übergewicht oder einer Autoimmunerkrankung –, haben ein höheres Risiko, nach einer Corona-Infektion Langzeitbeschwerden zu entwickeln.
Frauen sind etwa doppelt so häufig von Long Covid betroffen wie Männer. Laut Scheibenbogen kennt man dafür zwei Gründe: Zum einen haben Frauen ein aktiveres Immunsystem als Männer, zum anderen produzieren sie andere Hormone – und Hormone steuern das Immunsystem mit.
Studien deuten darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, Long Covid zu entwickeln, im Verlauf der Pandemie abgenommen hat. Zugleich steigt aber das Risiko bei wiederholter Infektion an.







Wie wird Long Covid behandelt?
Carmen Scheibenbogen forscht an der Charité Berlin an Therapiemöglichkeiten zu Long Covid und ME/CFS. Ihr Forschungsteam verfolgt verschiedene Ansätze.
Einer davon ist eine Sauerstoff-Hochdruck-Therapie. Dabei atmen Betroffene in einer Druckkammer reinen Sauerstoff ein, was einen positiven Einfluss auf die Durchblutung und das Immunsystem haben soll.
Auch die sogenannte Immunadsorption soll positive Effekte haben. Bei diesem Verfahren werden Auto-Antikörper aus dem Blut von Betroffenen herausgewaschen.
Ihnen gehe es dadurch zwar schnell besser – eine anhaltende Besserung erreiche man damit aber meist nicht, so Scheibenbogen. Denn: Die Antikörper kommen wieder. Zudem sei das Verfahren aufwendig und stehe nur wenigen zur Verfügung.
Die meisten Therapieansätze von Long Covid dienen hauptsächlich dazu, Symptome zu lindern. Dazu zählen Atemtherapie, Ergotherapie oder auch Medikamente gegen Kreislaufstörungen.
Auch die Strategie Pacing soll Erkrankten im Alltag helfen. Dabei geht es darum, genau auf den Körper zu hören und eigene Grenzen zu erkennen.
So lassen sich Überlastungen vermeiden, die zu sogenannten Crashs führen. Bei einem Crash verschlimmern sich die Beschwerden schon nach leichter Anstrengung.
Das erste Mal hörte Doris Haupt von Pacing in einer Selbsthilfegruppe. Viele Erkrankte suchen dort Unterstützung – so auch Anni Conrad und Natascha Lüsgo.
Lüsgo engagiert sich in einigen Projekten zum Thema Long Covid als Patientenbeirat. Hoffnung setzt sie auch in die weitere Forschung zu medikamentöser Behandlung.
Was wir brauchen, sind klare Marker: Bei welchem Patienten ist was die Ursache der Erkrankung? Das ist die Grundlage, um jemanden gezielt behandeln zu können – das untersuchen wir im Rahmen unserer Therapiestudien, um mit diesem Wissen Medikamente schneller zu entwickeln.
Quellen:
Interview mit Prof. Carmen Scheibenbogen; Interviews mit Anni Conrad, Doris Haupt und Natascha Lüsgo; BMG-Initiative Long Covid; Callard, F. & Perego, E. (2021): How and why patients made Long Covid. Social Science & Medicine (268); Mizrahi B. et al. (2023): Long covid outcomes at one year after mild SARS-CoV-2 infection. Nationwide cohort study BMJ (380); Al-Aly, Z. et al. (2024): Long Covid science, research and policy. Nature Medicine (30); Universitätsmedizin Halle; Institut für medizinische Immunologie der Charité Berlin; Stein, E. et al. (2025): Efficacy of repeated immunoadsorption in patients with post-COVID myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome and elevated β2-adrenergic receptor autoantibodies: a prospective cohort study. The Lancet Regional Health - Europe (49).
Redaktion:
Kathrin Wolff
Im Auftrag des ZDF:
Redaktion:
Marielle Klein
Autorin:
Marie Ries
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Jens Albrecht