Ein Tropfen in einem Ozean
Was hinter dem Potenzieren in der Homöopathie steckt
Alternative Medizin wird in der Homöopathie durch sogenanntes Potenzieren hergestellt. Der Wirkstoff wird dabei immer weiter verdünnt.
Auch wenn es keinen wissenschaftlichen Beleg dafür gibt: Nach homöopathischem Verständnis wird die Wirkung dadurch stärker.
Bei jedem Potenzieren wird der Wirkstoff intensiv „verschüttelt“ (mit einem flüssigen Trägerstoff, z. B. Alkohol) oder „verrieben“ (mit festem Trägerstoff, z. B. Milchzucker).
Welche Potenzen gibt es?
Unterschiedliche Arten von Potenzen geben an, in welchem Verhältnis der Wirkstoff für das homöopathische Medikament angereichert wird:
Eine Zahl hinter den Buchstaben gibt außerdem an, wie oft potenziert wurde. „C12“ bedeutet demnach, dass zwölfmal hintereinander in einem Mischverhältnis von 1:100 potenziert wurde.
So wird eine C12-Potenz hergestellt:
Ausgangspunkt der Herstellung ist immer die „Urtinktur“, zum Beispiel Arnica oder der Wirkstoff der Tollkirsche, Belladonna.
Ein Milliliter des Wirkstoffs wird mit 99 Millilitern Flüssigkeit gemischt.
Nach jedem Potenzierungsschritt wird die Flüssigkeit nach der Lehre des Homöopathie-Begründers Samuel Hahnemann zehnmal auf einen harten, aber elastischen Untergrund aufgeschlagen – zum Beispiel ein Buch.
Mehr als jede*r Zweite in Deutschland hat laut einer Forsa-Umfrage bereits Erfahrungen mit Homöopathie gemacht.
2022 wurden in deutschen Apotheken mit homöopathischen Medikamenten 531 Millionen Euro Umsatz gemacht (Vergleich: rezeptfreie Arzneimittel bei knapp 5,3 Milliarden).
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht homöopathische Behandlungen kritisch und will die Zuschüsse gesetzlicher Krankenkassen streichen. Eine Leistung, „die keinen medizinischen Nutzen auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sachstands erbringt [...] sollte auch nicht bezahlt werden“, argumentiert Lauterbach:
Es kann keine vernünftige Politik geben, die die Wissenschaft ignoriert. In der Homöopathie haben wir das bislang gemacht.
Nach Schätzungen Lauterbachs könnte die Streichung der Homöopathie als Kassenleistungen jährlich 20 bis 50 Millionen Euro einsparen.
Bislang wurde jedoch noch kein homöopathisches Arzneimittel durch das BfArM zugelassen, bei dem sich der Antragssteller auf eine Studie berufen hätte.
Befürworter*innen halten dagegen:
Wir sind Ärztinnen und Ärzte und die Praxis zeigt: Homöopathische Arzneimittel sind wirksam und versorgungsrelevant. Die wissenschaftlichen Belege sind gegeben, etwa durch die aktuelle Praxisstudie (EPI3-Studie 2021): weniger Antibiotika, weniger Schmerzmittel, rückläufige Krankmeldungen durch Homöopathie. Ergo: Homöopathische Arzneimittel sind wirksam, zweckmäßig und wirtschaftlich.
Fakt ist: In einer Reihe von Studien konnten Forschende nur einen Placebo-Effekt wissenschaftlich belegen. Bei der Einnahme der Medikamente zeigte sich also eine gewünschte Reaktion im Körper, die aber nicht auf die Wirkstoffe zurückzuführen ist.
Die Story wurde aktualisiert, erste Veröffentlichung war im Januar 2023.
Quellen:
Deutsche Homöopathie-Union;
Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH;
Verband klassischer Homöopathen Deutschlands e.V.; Die PTA; Hahnemann, S. (1810): Organon der Heilkunst; Hamburg Wasser; Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung; National Oceanic and Atmospheric Administration; Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V.; Roberts. E. R. et al. (2021): The EPI3-LASER study; Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte; Deutscher Zentralverein homöopathischer Ärzte; Helmholtz Institut; Mathie, R. T. et al. (2017): Randomised, double-blind, placebo-controlled trials of non-individualised homeopathic treatment; Shang, A. et al. (2007): Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy
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Reuters/Michele Tantussi
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