Was sagt die Haltungsform aus? 

Wie Hühner, Rinder und Schweine in Deutschland gehalten werden

Beginnen wir diese Geschichte mit einem kleinen Selbsttest. Wissen Sie, was diese Label bedeuten?

Richtig: Das Haltungsform-Label informiert Sie über die Herkunft des Fleischs, das Sie im Supermarkt oder Discounter kaufen. Das Label verspricht Ihnen: „Ein Blick, ein Griff“ – mehr brauche es nicht, „um am Fleischregal eine bewusste Entscheidung zu treffen.”

Aber ist das wirklich so einfach?

In dieser Geschichte beantworten wir:

  • Was die einzelnen Haltungsformen für Hühner, Rinder und Schweine bedeuten
  • Was das Label gut macht
  • Wo das Label scheitert – und was es im Sinne des Tierwohls wirklich bräuchte

Tippen Sie auf Rind, Schwein oder Huhn und die jeweilige Haltungsform, um zu sehen, was die vier Stufen für die Tiere bedeuten.  

Rinder

Schweine

Hühner

Mindestfläche 2,2 m² pro Tier
(ab 400 kg)

Die Haltungsform 1 (Stallhaltung) entspricht den gesetzlichen Mindeststandards. Für uns als Verbraucher*innen ist Fleisch der Stufe 1 am günstigsten. 

Mindestfläche 3 m² pro Tier
(ab 400 kg)

oder für Ochsen & Färsen:
Kombinationshaltung

In der Haltungsform 2 (StallhaltungPlus) haben die Tiere etwas mehr Platz im Stall als gesetzlich vorgeschrieben. Rinder können sich zudem mehr bewegen, Schweine und Hühner erhalten mehr Material, mit dem sie sich beschäftigen können.

Mindestfläche 4 m² pro Tier
(ab 400 kg)

oder

In der Haltungsform 3 (Außenklima) haben die Tiere Kontakt mit dem Außenklima, etwa durch eine offene Stallseite – oder einen überdachten Außenbereich. Außerdem haben die Tiere noch mehr Platz und werden gentechnikfrei gefüttert.

Mindestfläche 5 m² pro Tier
(ab 400 kg)

In der Haltungsform 4 (Premium) haben die Tiere tatsächlich Auslauf im Freien und am meisten Platz im Stall. Das Futter ist auch hier ohne Gentechnik und zudem regional. Biofleisch ist in dieser Stufe einzuordnen – aber auch konventionell erzeugtes Fleisch, wenn es die Kriterien erfüllt.

Mindestfläche 1 m² pro Tier
(ab 110 kg)

Die Haltungsform 1 (Stallhaltung) entspricht den gesetzlichen Mindeststandards. Für uns als Verbraucher*innen ist Fleisch der Stufe 1 am günstigsten.

Mindestfläche 1,1 m² pro Tier
(ab 110 kg)

In der Haltungsform 2 (StallhaltungPlus) haben die Tiere etwas mehr Platz im Stall als gesetzlich vorgeschrieben. Rinder können sich zudem mehr bewegen, Schweine und Hühner erhalten mehr Material, mit dem sie sich beschäftigen können.

Mindestfläche 1,4 m² pro Tier
(ab 110 kg)

In der Haltungsform 3 (Außenklima) haben die Tiere Kontakt mit dem Außenklima, etwa durch eine offene Stallseite – oder einen überdachten Außenbereich. Außerdem haben die Tiere noch mehr Platz und werden gentechnikfrei gefüttert.

Mindestfläche 2 m² pro Tier
(ab 110 kg)

In der Haltungsform 4 (Premium) haben die Tiere tatsächlich Auslauf im Freien und am meisten Platz im Stall. Das Futter ist auch hier ohne Gentechnik und zudem regional. Biofleisch ist in dieser Stufe einzuordnen – aber auch konventionell erzeugtes Fleisch, wenn es die Kriterien erfüllt.

Maximal 39 kg pro m²
(ca. 19,5 Hühner)

Die Haltungsform 1 (Stallhaltung) entspricht den gesetzlichen Mindeststandards. Für uns als Verbraucher*innen ist Fleisch der Stufe 1 am günstigsten.

Maximal 35 kg pro m²
(ca. 17,5 Hühner)

In der Haltungsform 2 (StallhaltungPlus) haben die Tiere etwas mehr Platz im Stall als gesetzlich vorgeschrieben. Rinder können sich zudem mehr bewegen, Schweine und Hühner erhalten mehr Material, mit dem sie sich beschäftigen können.

Maximal 25 kg pro m²
(ca. 12,5 Hühner)

In der Haltungsform 3 (Außenklima) haben die Tiere Kontakt mit dem Außenklima, etwa durch eine offene Stallseite – oder einen überdachten Außenbereich. Außerdem haben die Tiere noch mehr Platz und werden gentechnikfrei gefüttert.

Maximal 21 kg pro m²
(ca. 10,5 Hühner)

In der Haltungsform 4 (Premium) haben die Tiere tatsächlich Auslauf im Freien und am meisten Platz im Stall. Das Futter ist auch hier ohne Gentechnik und zudem regional. Biofleisch ist in dieser Stufe einzuordnen – aber auch konventionell erzeugtes Fleisch, wenn es die Kriterien erfüllt.

Noch mehr Details zu den einzelnen Stufen gibt es auf der Webseite haltungsform.de

Wichtig: Das Haltungsform-Label selbst ist kein Tierwohlprogramm – und lässt damit keinen direkten Rückschluss auf das Tierwohl zu. Es ordnet lediglich bestehende Tierwohlprogramme einer Stufe zu. Deshalb finden wir als Verbraucher*innen neben der Haltungsform auf der Packung immer noch ein anderes Siegel. Bei Hühnern sind das 14 verschiedene Programme und Siegel, bei Schweinen 40 und bei Rindern 30 (Stand: Mai 2023).

14 Tierwohlsiegel lassen sich aktuell allein in der Hühnermast einer Haltungsform zuordnen. (Foto: www.haltungsform.de)

14 Tierwohlsiegel lassen sich aktuell allein in der Hühnermast einer Haltungsform zuordnen. (Foto: www.haltungsform.de)

Was das „Haltungsform“-Label gut macht

Betriebe im deutschen Einzelhandel kennzeichnen ihre Fleischprodukte mit der „Haltungsform“, darunter die großen Discounter und Supermarktketten Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny, Real und Rewe. Ein großer Pluspunkt, sagt Constanze Rubach von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Sie sieht einen guten Ansatz für mehr Transparenz. „Es versucht, die Haltungsbedingungen für Tiere schnell und einfach erfassbar zu machen“, sagt Rubach – auch wenn die Handelsketten stärker darüber informieren könnten, was die einzelnen Haltungsformen bedeuten.

Die Kritik am Label überwiegt bei Rubach aber. Warum?

Was das „Haltungsform“-Label besser machen könnte

Rubach gliedert ihre Kritik in mehrere Punkte.

  1. Verbindlichkeit
  2. Vergleichbarkeit
  3. Aussagekraft

Die Verbindlichkeit – es gibt sie nicht. Das „Haltungsform“-Label ist eine freiwillige Initiative. Beim letzten Marktcheck der Verbraucherzentrale hat es auf zahlreichen Fleischprodukten der großen Ketten gefehlt, sagt Rubach. An der Frischetheke fehle es gänzlich. „Das führt direkt zum nächsten Problem“, sagt Rubach.

Die Vergleichbarkeit – sie ist, im besten Fall, eingeschränkt. „Wenn das Label nicht auf allen Produkten zu finden ist, kann ich als Verbraucherin oder Verbraucher nur schwer Vergleiche anstellen“, kritisiert Rubach. Zumal für eine Kaufentscheidung nach Tierwohl-Kriterien meist auch die Auswahl fehle: Die meisten Produkte gab es 2020* in der Haltungsstufe 1, die gerade einmal den gesetzlichen Mindeststandards entspricht.

Quelle: Marktcheck der Verbraucherzentralen (2020) 

Quelle: Marktcheck der Verbraucherzentralen (2020) 

*Neuere Zahlen gibt es nicht. Die Initiative Tierwohl, die das Haltungsform-Label verantwortet, arbeitet aktuell an einer neuen Erhebung. „Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass bei Schwein weit über 60 Prozent in der Stufe 2 angeboten werden”, schätzt Marketing-Chef Patrick Klein gegenüber ZDFheute. Beim Geflügel befinde sich fast das gesamte Angebot in Stufe 2, bei Rindern dagegen 80 bis 90 Prozent in der Stufe 1. Etwa zehn Prozent verteilten sich auf die Haltungsformen 3 und 4.

Die Aussagekraft – für Rubach existiert auch sie kaum. „Was zeigt das Label – und was nicht? Es zeigt“, sagt Rubach, „vor allem die Haltungskriterien: Wie viel Platz hat das Tier, wie ist der Stall des Betriebs strukturiert.“ Was es nicht zeige? Hier nennt Rubach unter anderem die Gesundheit der Tiere, das Stressmanagement im Stall und andere Lebensabschnitte der Tiere, etwa Aufzucht, Transport und Schlachtung. „Das alles sind Tierwohlkriterien, aber diese Punkte werden nicht berücksichtigt“, sagt Rubach. Verbraucher*innen könnten sich deshalb nicht sicher sein, dass es dem Tier wirklich gut ergangen sei.

Auch Lars Schrader, Leiter des Instituts Tierschutz und Tierhaltung am Friedrich-Loeffler-Institut, hebt diese Aspekte hervor. Zwar könne man sich sicher sein, dass die Haltungsbedingungen der Stufen 3 und 4 „per se erstmal deutlich besser sind als die gesetzlichen Mindestanforderungen“, sagt Schrader. Aber: „Entscheidend sind der Umgang mit den Tieren, deren Versorgung und die Gesundheitsbehandlung, wenn die Tiere krank werden.“

Und jetzt?

Wie ein Tierwohl-Label aussehen könnte

Für Tierschutz-Expertin Constanze Rubach ist klar: Damit Verbraucher*innen sichergehen können, dass im Leben der Tiere bis zu ihrer Schlachtung auf ihr Wohl geachtet wurde, „braucht es ein verbindliches, staatliches Tierwohlkennzeichen“. Der große Vorteil sei, dass es erstens für alle Produkte verpflichtend sei und zweitens eine staatlich überprüfbare Kontrolle erfahre. Außerdem mache es alle anderen Label überflüssig – wir erinnern uns: Allein beim Haltungsform-Label gibt es 14 verschiedene Tierwohlprogramme für Hühner, 40 für Schweine, 30 für Rinder. „Da geht es um Einheitlichkeit und ein Ende der Verwirrung aller Verbraucher*innen“, sagt Rubach.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat für Schweine zumindest ein staatliches Tierhaltungskennzeichen angekündigt – Tierhaltung, nicht Tierwohl. Es soll ab dem 1. Januar 2024 gelten und Verbraucher*innen in fünf Kategorien informieren, wie das Schwein im Stall gelebt hat:

Quelle:  Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Quelle:  Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Für Verbraucher*innen heißt das erst einmal „mehr Transparenz”, sagt Rubach. „Es wird leichter, tierfreundliche Produkte zu wählen, deren Kriterien dann auch staatlich überprüft werden.” Ein Durchbruch für die Tiere ist das Label aber noch nicht, Rubach kritisiert ähnliche Punkte wie beim freiwilligen Haltungsform-Label:

  • Tierhaltungslabel hat keine Aussagekraft in Sachen Tierwohl; Verbraucher*innen können nicht davon ausgehen, dass untere Haltungsformen ein ausreichendes Maß an Tierschutz gewährleisten
  • Label soll zunächst nur für Mast gelten, nicht aber für Aufzucht, Schlachtung und Transport
  • Label soll zunächst nur für unverarbeitetes Fleisch gelten, nicht für verarbeitete Waren wie Wurst, „die beim Schweinefleisch einen Hauptteil ausmacht”

Rubach fragt sich zudem, ob das Label von den Verbraucher*innen richtig gelesen wird. „Begriffe, die dem neuen Kennzeichnungssystem zu Grunde liegen, sollten wissenschaftlich auf ihre Verständlichkeit überprüft werden”, fordert Rubach.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft will das Label noch auf weitere Stationen und Fleischwaren ausweiten. Ein Zeitplan ist allerdings unbekannt. Auch wann ein staatliches Logo für Rinder, Hühner und andere Masttiere kommt, ist noch unklar.

Das Haltungsform-Label soll übrigens – trotz staatlichem Label – weiterhin auf Fleisch-Verpackungen zu sehen sein, wie die verantwortliche Initiative Tierwohl gegenüber ZDFheute mitteilt. Dazu soll das Label weiterentwickelt werden, damit es „mit der staatlichen Kennzeichnung vereinbar ist.”

Worauf kann ich noch achten, wenn ich auf Tierwohl achten möchte?

Für Constanze Rubach und Lars Schrader ist klar: Grundsätzlich sprechen die Haltungsformen 3 und 4 für mehr Tierwohl – sie garantieren es nur nicht. Das leiste lediglich das Bio-Siegel, „das dann noch einmal deutlich höhere Anforderungen hat“, sagt Verbraucherschützerin Rubach.

Tierschutz-Experte Lars Schrader empfiehlt Verbraucher*innen zudem, sich beim Kauf nach Tierhaltung und Tierwohl zu erkundigen – etwa an der Bedientheke, wo nur Angaben zur Herkunft verpflichtend sind; oder sogar vor Ort in den Betrieben, wer die Möglichkeit dazu habe.

Quellen:
Interview mit Constanze Rubach, Verbraucherzentrale Niedersachsen;
Interview mit Lars Schrader, Leiter des Instituts für Tierschutz und Tierhaltung am Friedrich-Loeffler-Institut;
Verbraucherzentrale;
Haltungsform;
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft;
Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung

 Gewichtsangaben der Tiere:
Das durchschnittliche Schlachtgewicht von Rindern in deutschen Schlachthöfen hat im Jahr 2022 laut Statistischem Bundesamt rund 335,4 Kilogramm betragen. Die Schlachtausbeute liegt bei etwa 50 bis 60 Prozent des Gesamtgewichts – das demnach im Schnitt zwischen etwa 560 und 670 Kilogramm beträgt. Deshalb zeigen wir in unserer Übersicht den Platz für Rinder mit einem Gewicht von mehr als 400 Kilogramm.

Das durchschnittliche Schlachtgewicht von Schweinen in deutschen Schlachtbetrieben lag 2022 laut Statistischem Bundesamt bei 97,8 Kilogramm. Schweine werden nach etwa einem halben Jahr geschlachtet. Ihr Lebendgewicht beträgt zum Zeitpunkt der Schlachtung etwa 120 Kilogramm. Deshalb zeigen wir in unserer Übersicht den Platz für Schweine mit einem Gewicht von mehr als 110 Kilogramm.

Bei Hühnern kommen nach Angaben der Albert-Schweitzer-Stiftung in der konventionellen Hühnermast drei Verfahren zum Einsatz. In der Kurzmast werden die Hühner nach 28 bis 30 Lebenstagen bei einem Körpergewicht von 1,5 Kilogramm geschlachtet. In der Mittellangmast werden sie nach etwa 35 Tagen mit einem Mastendgewicht von 2 bis 2,2 Kilogramm geschlachtet. In der Langmast leben Hühner etwa 42 Tage und erreichen ein Körpergewicht von 2,8 Kilogramm. In unserer Übersicht haben wir uns für die Mittellangmast mit einem Gewicht von 2 Kilogramm entschieden.

Autor:
Kevin Schubert

Im Auftrag des ZDF

Autor*innen:
Nadine Berger, Gary Denk

Design:
Mischa Biekehoer