Escape-Mutationen
Wie Virus-Varianten den
Impfschutz verringern können
Deutschland befindet sich derzeit in einer sensiblen Corona-Phase: Die Infektionszahlen sind auf einem hohen Niveau, gleichzeitig wird geimpft.
In dieser Ausgangslage können sich Virus-Varianten verbreiten, die bei Impfstoffen die Wirkung verringern. Verantwortlich dafür sind sogenannte Escape-Mutationen.
Neben der hierzulande dominanten britischen Variante stuft das RKI zwei weitere als besorgniserregend ein: die südafrikanische und die brasilianische Variante. Beide tragen eine Mutation mit dem Namen E484K in sich, die man als Escape-Mutation bezeichnen kann.
Bei Escape-Mutationen hat sich das ursprüngliche Virus so verändert, dass es der Immunantwort Genesener oder Geimpfter teilweise entgehen kann: Viren werden von Antikörpern schlechter erkannt.
Wie kommt es zu Escape-Mutationen?
Escape-Mutationen können entstehen, wenn
- Neuinfektionen hoch sind
- geimpft wird
Warum?
Bei jeder Übertragung des Virus kann es zu einer zufälligen Mutation kommen.
Viele Neuansteckungen bedeuten also viele Möglichkeiten, zu mutieren.
Bei Menschen, die eine Immunantwort entwickelt haben, z. B. durchs Impfen, kommt das Virus zunächst nicht weiter.
Doch je mehr Menschen eine Immunantwort entwickeln, desto größer wird der Evolutionsdruck auf das Virus. Sein Ziel ist es, sich weiter zu vermehren. Varianten, die die Antikörper schlechter erkennen, haben dabei einen Vorteil gegenüber dem ursprünglichen Virus.
Es setzen sich diejenigen Varianten durch, die von Antikörpern schlechter erkannt werden.
Das Virus findet also einen Fluchtweg – englisch Escape.
Bereits entwickelte Impfstoffe könnten somit gegen diese Varianten weniger effektiv sein. Im schlimmsten Fall werfen sie uns beim Impfen weit zurück.
Laut Prof. Bodo Plachter, Virologe an der Universitätsmedizin Mainz, dürften Geimpfte aber über eine Basisimmunität verfügen. Denn die Antikörper sind nur ein Teil der Immunantwort. An der Abwehr der Infektion sind auch Immunzellen beteiligt.
Was in der Zelle bei einer Escape-Mutation passiert
Das Immunsystem entwickelt nach einer Infektion oder Impfung eine Immunantwort. Dazu gehören neutralisierende Antikörper.
Die Antikörper hindern das Virus daran, an der menschlichen Zelle anzudocken.
Bei einer Escape-Mutation verändert sich die Oberflächenstruktur des Spike-Proteins.
Die Antikörper kommen dem Virus beim Andocken nun nicht mehr in die Quere. Ihre Wirkung ist eingeschränkt.
Das mutierte Virus kann die Zelle nun befallen.
Auf die Schwächung der Antikörper weisen bei der südafrikanischen Variante (B.1.351) mehrere Studien hin. Und auch bei der brasilianischen Variante (P.1) geht man davon aus, da sie in ihren Veränderungen der südafrikanischen Variante ähnelt.
Generell gilt: Zufällige Mutationen am Virus passieren ständig. Nicht jede daraus entstehende Variante ist gefährlich oder kann sich durchsetzen.
Damit Impfstoffe auch gegen neue Varianten voll wirksam sind, entwickeln die Hersteller sie laufend weiter und passen sie gegebenenfalls an.
Doch solange das Infektionsgeschehen hoch ist, kann das Virus durch Mutationen immer wieder Wege finden, den Impfschutz der Bevölkerung zu verringern.
Quellen:
Robert-Koch-Institut; European Centre for Disease Prevention and Control; Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Virologie, Prof. Dr. Bodo Plachter; Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, Sektion Infektiologie, Dr. Christine Dahlke; Irving Medical Center, Columbia University; Nature
Redaktion:
Jennifer Werner, Karsten Kaminski
Im Auftrag des ZDF:
Autorin:
Laura Krzikalla
Design:
Mischa Biekehör