Corona in der Schule

Wie hoch ist die Infektionsgefahr?

In zehn Bundesländern sollen am Montag nach rund zwei Monaten Schließung die Schulen wieder schrittweise öffnen. Wie das genau abläuft, zum Beispiel mit Wechselunterricht, Maskenpflicht oder einer Abstufung nach Alter, wird von jedem Bundesland selbst geregelt.

Doch wie groß ist die Gefahr, sich im Klassenzimmer anzustecken?

Klassenzimmer einer Oberschule mit 24 Schülern
24 Schüler*innen ohne Masken. Sie sitzen auf 1,50 m Abstand, halten sich 6 Stunden im Raum auf und lüften regelmäßig. Diese drei bEdingungen werden sich in allen folgenden Modellen nicht verändern.
Ein Kind ist infziert.
Nun sind 12 weitere angesteckt.

Forscher*innen der TU Berlin haben die Corona-Ansteckungsgefahr durch Aerosole für verschiedene Innenräume und Situationen berechnet** – darunter auch Klassenzimmer. Sie wollten wissen, wie sich das Risiko einer Ansteckung jeweils verändert. In ihrer Berechnung wurden dabei folgende Faktoren berücksichtigt:

Eine wichtige Rolle spielt dabei immer, wie viele Menschen in einem Raum sind und ob sie eine Maske tragen.

Wie hoch ist die Infektionsgefahr in diesem Szenario?

Die Forscher*innen der TU Berlin errechneten:
Nach sechs Stunden im Raum würde eine infizierte Person 11,5 weitere Menschen anstecken.

Warum ist die Infektionsgefahr so hoch?

Es halten sich verhältnismäßig viele Menschen über einen langen Zeitraum in einem Klassenzimmer auf.
Zudem tragen die Schüler*innen in diesem Szenario keine Masken.

Doch mit Maßnahmen können Infektionen reduziert werden.

12 Schüler und keine Masken.
1 Kind ist infiziert.
6 weitere sind infziert.

Die Klassengröße zu halbieren, etwa durch Wechselunterricht, hat einen deutlichen Effekt auf das Ansteckungsgeschehen. Weniger Menschen im Raum bedeuten, laut TU Berlin, eine größere Menge Frischluft pro Person. Entsprechend sinkt das Ansteckungsrisiko in diesem Szenario.

12 Schüler*innen mit Maske.
Ein Kind ist infziert.
3 weitere sind infiziert.

Mit einer Maskenpflicht können virenbelastete Tröpfchen abgefangen und auch der Aerosolausstoß reduziert werden.

Im Modell der TU Berlin kann so das Ansteckungsrisiko nochmal um die Hälfte gesenkt werden.

Grundsätzlich kann häufigeres Lüften die Ansteckungsgefahr noch weiter senken.

Bei den Schulöffnungen ist das Einhalten der AHA-L-Regeln besonders wichtig. Kurzes, regelmäßiges Stoßlüften ist im Winter besonders effektiv.
Prof. Martin Kriegel, TU Berlin, Autor der Studie

Vergleicht man die Szenarien, wird klar: Die Kombination von Maßnahmen hilft, das potenzielle Ansteckungsrisiko zu senken, doch ein Restrisiko bleibt. Weiter Sorgen bereitet die Verbreitung der ansteckenderen Corona-Mutationen. Übertragen auf das Szenario Schule würde der R-Wert deutlich höher ausfallen.

Neben dem Klassenzimmer haben sich die Wissenschaftler*innen der TU Berlin die Infektionsgefahr in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens angeschaut. Das Ergebnis: Generell sind Schulen und Büros Orte, an denen eine potenzielle Infektion im Vergleich zu andern geschlossen Räumen besonders hoch ist. Das liegt vor allem an der Aufenthaltsdauer und der mitunter hohen Zahl an Menschen im Raum.

Corona-Ansteckungsgefahr über Aerosole in Innenräumen

Das Diagramm zeigt: Die Kombination von Maßnahmen und die Reduzierung von Menschen an einem Ort helfen maßgeblich.

Je kürzer die gemeinsame Aufenthaltszeit und je mehr virenfreie Zuluft zur Verfügung steht, umso geringer ist das Infektions-Risiko.
Dipl.-Ing. Anne Hartmann, TU Berlin, Autorin der Studie

Sollte es dennoch zu einer Infektion kommen, besteht die Gefahr, dass sich das Virus auf andere Lebensbereiche ausbreitet. So könnten z. B. Schüler*innen es in den Familienkreis bringen.

**Die Forscher*innen der TU Berlin rechnen in einem Klassenzimmer in Normalbelegung mit 25m³ Außenluftmenge pro Stunde und Person. Sie gehen zudem davon aus, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes den Ausstoß der infizierten Person verringert und auch eine Filterleistung beim Einatmen der Gesunden mit sich bringt. Außerdem werden die Szenarien anhand von Oberschulen durchgespielt, da die Datenlage zur Infektion unter jüngeren Kindern nach wie vor zu unklar sei.
Die Maße des dargestellten Klassenzimmers betragen 8,57 m x 7 m x 3 m.
Beim Balkendiagramm wird jeweils das x-fache des Risikos gegenüber einem situationsbedingten R-Wert ≤ 1 angegeben. Der Wert bedeutet die Anzahl Angesteckter bei einer gleichzeitig anwesenden infizierten Person. Die Berechnung des Werts geht zurück auf: Kriegel et al., „Predicted Infection Risk for Aerosol Transmission of SARS-CoV-2“ (2020).

Quellen:
Martin Kriegel & Anne Hartmann, Hermann-Rietschel-Institut, TU Berlin: „Covid-19 Ansteckung über Aerosolpartikel Vergleichende Bewertung von Innenräumen hinsichtlich des situationsbedingten R-Wertes“ (2021); dpa

Redaktion:
Jennifer Werner, Karsten Kaminski

Im Auftrag des ZDF:

Autor:
Jonas Becker

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Christoph von Massow

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