Drei Jahre Pandemie. Niemand wusste damals, wie viele Mütter, Väter, Omas und Opas, wie viele Menschen sterben würden.
Es sollten viele werden.
Es begann am 9. März 2020.
Gegen Mittag stirbt eine 89-jährige Frau in Essen an Corona.
Sie ist das erste gemeldete Todesopfer der Pandemie in Deutschland.
Nur knapp eine Stunde später stirbt ein weiterer Mann.
Der 79-Jährige kommt aus Gangelt im Kreis Heinsberg.
In den Tagen danach sind es erstmal nur Einzelfälle.
Ein weiterer Patient im Kreis Heinsberg wird gemeldet.
Ein 67-Jähriger in der Nähe von Stuttgart.
Ein 80-Jähriger in Würzburg.
15 Tage später sind es bereits mehr als 100 gemeldete Tote.
Einen Monat nach dem Tod der 89-Jährigen aus Essen sind bereits mehr als 2.100 Menschen gestorben.
Bei uns war der Höchststand, dass vier, fünf Krankenwagen vor der Tür standen. Auf der anderen Seite der Einrichtung der Leichenwagen. Das waren Bilder, die werde ich in meinem Leben nie mehr vergessen.
Drei Jahre später sind mehr als 169.000 Menschen an oder mit Corona gestorben*.
Wie hat die Corona-Pandemie so viele Menschen das Leben gekostet?
*Die allermeisten Menschen sind „an Corona” gestorben. Mehr dazu ganz unten im Artikel.
Es sterben vor allem die Alten
Es waren vor allem die Alten, die an Corona gestorben sind. Nur etwa 550 der mehr als 169.000 Todesopfer waren jünger als 35 Jahre. Zwei von drei Toten waren älter als 80 – insgesamt mehr als 109.000. Fast alle anderen waren zwischen 60 und 79.
Gerade während der verheerenden zweiten Welle starben deutlich mehr Menschen als in normalen Zeiten vor der Pandemie zu erwarten gewesen wäre – die Übersterblichkeit war hoch.
Vor allem in den Altenheimen hat Corona gewütet. In der ersten und zweiten Welle waren laut Analyse der Barmer-Krankenkasse in der Spitze mehr als 60 Prozent aller Corona-Toten im Pflegeheim. Selbst in der Delta-Welle Ende 2021, als viele Ältere bereits geimpft waren, waren es immer noch mehr als 30 Prozent.
Der Grund: Das Immunsystem älterer Menschen reagiert nicht mehr so gut auf Angreifer wie bei Jüngeren. Zudem haben sie in ihrem langen Leben oft schon Vorerkrankungen wie Herz- und Lungenkrankheiten oder Diabetes angehäuft – weitere Risikofaktoren für einen schweren Corona-Verlauf.
Männer sterben eher an Corona
Zwar infizieren sich insgesamt mehr Frauen mit Corona, aber Männer sterben eher daran – gerade Männer über 80 Jahre. Die Sterblichkeit ist bei Männern in diesem Alter 60 Prozent höher als bei Frauen.
Warum, ist noch nicht final geklärt. Es gibt aber einige Vermutungen:
- Das Immun- und Hormonsystem von Frauen und Männern reagiert anders auf Viren.
- Frauen sind aufmerksamer, was ihre Gesundheit angeht.
- Männer haben mehr Vorerkrankungen.
Die Toten des Ostens
In Sachsen und Thüringen ist Corona insgesamt tödlicher gewesen als in anderen Teilen des Landes.
In Sachsen starben 416 Menschen je 100.000 Einwohner*innen, in Thüringen 393. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein waren es mit 119 je 100.000 deutlich weniger.
Die Gründe dafür sind bisher nicht ganz klar. Mögliche Erklärungen:
- Ostdeutsche Bundesländer waren in der ersten Welle nicht so stark betroffen – und deshalb nicht ganz so vorsichtig.
- Die medizinische Versorgung vor Ort ist nicht ganz so gut aufgestellt wie im Westen.
- In späteren Wellen die geringere Impfbereitschaft.
Das seien aber nur Vermutungen, so Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. Studien dazu kenne er nicht.
Der verheerende Winter 2020-2021
Keine Corona-Welle war so schlimm wie die zweite. Zwischen Oktober 2020 und März 2021 starben in Deutschland fast 74.000 Menschen.
Dafür gab es zahlreiche Gründe:
- Krankenhäuser und Intensivstationen mussten erst die Besonderheiten von Covid kennenlernen und wie man die Patient*innen am besten behandelt.
- Medikamente gegen Covid waren noch nicht verfügbar.
Dazu kam: Im Gegensatz zur ersten Welle reagierte Deutschland im Winter 2020/21 erst spät mit Corona-Maßnahmen. Der „Lockdown light“ im Herbst hat mehr Todesfälle verhindert, reichte aber nicht, um die Welle zu brechen. Frühere Maßnahmen hätten laut Modellierer*innen „die Höhe der Welle deutlich reduziert“.
Die späteren Wellen haben zwar immer noch viele Menschen das Leben gekostet. Sie waren aber nicht mehr so verheerend wie zuvor – unter anderem dank der besseren Behandlungsmöglichkeiten.
Und wegen der Impfung.
Am 26. Dezember 2020 wurde die erste Dosis verabreicht – einer damals 101-jährigen Pflegeheimbewohnerin in Halberstadt in Sachsen-Anhalt.
Und knapp ein Jahr später hat sich die Lage nochmal geändert: wegen der Omikron-Variante. Infektionen verlaufen seitdem grundsätzlich milder – wenn auch immer noch viele schwere Verläufe und Todesfälle dabei sind.
Was haben wir daraus gelernt?
Der Lernprozess ist laut Expert*innen noch nicht abgeschlossen. Einige Lektionen seien aber bereits klar, sagt Zeeb:
- Daten und Informationen müssen schnell und ausreichend bereitstehen.
- Nicht nur die medizinisch-virologische Perspektive muss betrachtet werden, sondern auch andere Fachbereiche wie Psychologie oder Pädagogik.
- Das mittlerweile bestehende Expertengremium muss künftig früher eingerichtet werden und fachlich breit aufgestellt sein.
- Sozial benachteiligte Gruppen sind besonders gefährdet; deshalb müssen Maßnahmen stärker auf sie ausgerichtet werden.
- Das Gesundheitssystem muss finanziell besser ausgestattet sein.
Was kann ich persönlich aus der Pandemie lernen?
- Informiert sein ist auch auf der persönlichen Ebene wichtig. „Für alle ist es die Aufgabe, sich auch in Zukunft so gut es geht und auch richtig zu informieren“, sagt Zeeb.
- In künftigen Grippe-Wellen, wenn nötig, ebenfalls Masken tragen.
- Eigene Impfungen auf Stand halten.
- Bereit sein, das eigene Verhalten schnell umzustellen.
Hinweis:
Der größte Teil der registrierten Todesfälle ist laut Robert-Koch-Institut „an Corona“ verstorben. Die Statistik umfasst zwar auch Menschen, die „mit Corona“ gestorben sind. Es handelt sich dabei z. B. um Menschen mit Vorerkrankungen, bei denen das Risiko, an der Corona-Infektion zu sterben, höher war. In der Praxis ist deswegen oft schwer zu entscheiden, ob die Infektion direkte Ursache für den Tod war. Unter die Corona-Toten fallen allerdings keine Menschen, die beispielsweise einen Schlaganfall hatten und zufällig auch positiv auf Corona getestet wurden.
Quellen:
Robert-Koch-Institut; Interview Prof. Hajo Zeeb (Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie Bremen); Pflegereport 2022 der Barmer-Krankenkasse
Fotos:
dpa
Autoren:
Robert Meyer, Moritz Zajonz
Redaktion:
Kevin Schubert, Kathrin Wolff
Inspiration:
How America Lost One Million People
Im Auftrag des ZDF:
Design:
Jens Albrecht
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