Corona-Impfstoff für die Reichen
Weltweit faire Verteilung? Fehlanzeige!
Während in Deutschland Lockerungen und die Rückkehr zur Normalität in Aussicht gestellt werden, sind viele Länder des globalen Südens beim Impfen abgehängt.
Ein Beispiel zum Vergleich
Ob ich geimpft werden kann oder nicht, hängt maßgeblich davon ab, wo ich geboren bin.
Ein Grund: Reiche Industrienationen haben sich einen Großteil der verfügbaren Impfstoffmengen schon relativ zu Beginn der Pandemie gesichert.
Zu Beginn der Pandemie starten mehrere Pharmaunternehmen, Impfstoffe gegen das Coronavirus zu entwickeln.
Bereits vor der Marktzulassung investieren Staaten in die Forschung und sichern sich vorab große Mengen verschiedener Vakzine.
Ungleiche Chancen schon seit Beginn
Dabei gehen sie ein Risiko ein: Nicht jeder Impfstoff schafft die Zulassung. Deshalb bestellen die Staaten zur Sicherheit bei mehreren Herstellern.
Das können sich aber nur Staaten leisten, die genug Geld haben.
Deshalb kamen bei der Auslieferung der ersten Impfstoff-Chargen die Reichen zuerst an die Reihe. Schlicht: Weil sie es sich leisten konnten.
Ärmere Staaten haben das Nachsehen. Sie investieren viel später, da dann das Risiko des Scheiterns viel kleiner ist.
„Die anfängliche Unsicherheit hat dazu geführt, dass die Länder, die es konnten, mehrfach zugeschlagen haben. Das ist rational verständlich, aber greift zu kurz“, sagt Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner.
Das Ergebnis:
Die Europäische Union könnte mit ihren aktuell zugesicherten Impfdosen jede ihrer Bürger*innen mehr als zwei Mal vollständig impfen. Die Afrikanische Union mit ihren Bestellungen gerade einmal ein Drittel ihrer Bevölkerung.
Auf den Impfstoff-Export von reicheren Ländern muss man differenziert schauen: Die EU liefert zum Beispiel Impfstoffe an andere Länder, die USA hingegen nicht.
Warum Covax nicht die Lösung sein kann
Die Impf-Initiative will für eine weltweite faire Impfstoffverteilung sorgen. Fast 200 Staaten haben mittlerweile ihre Beteiligung zugesichert. Doch Covax hilft aktuell nur bedingt.
Die Idee dahinter:
Mehrere Staaten zahlen in Covax ein – ähnlich einem Fonds. Mit dem gemeinsamen Geld können:
- bessere Preise ausgehandelt
- die Impfstoff-Forschung gefördert
- und Bestellungen bei mehreren Impfstoffherstellern gemeinsam getätigt werden
Das individuelle finanzielle Risiko sinkt. Das Ziel: Gemeinsam zu kaufen und gemeinsam zu teilen.
Covax dient auch als Spendentopf: Industriestaaten, Hilfsorganisationen und Firmen können Covax finanzielle Mittel und Impfstoffdosen spenden, die dann an Entwicklungs- und Schwellenländer verteilt werden.
Deutschland unterstützt Covax mit über 2 Milliarden Euro und ist damit, laut Bundesregierung, der größte Geber.
Covax handelt eigenständig am Markt. Über die Initiative werden Impfstoffe bestellt und verteilt.
Zuerst sollen so weltweit besonders gefährdete Gruppen unter anderem in ärmeren Ländern geimpft werden.
Doch so ist es nicht gekommen.
Covax wurde zwar unterstützt. Doch parallel schlossen Industriestaaten bilaterale Verträge mit den Herstellern ab.
Covax kann bis jetzt nur geringe Mengen des verfügbaren Impfstoffs verteilen.
Und auch die finanziellen Hilfen für die Initiative wirken sich aktuell kaum aus – der Markt ist leergekauft: „Geldspenden sind grundsätzlich sinnvoll, bringen aber kurzfristig nichts, wenn es aktuell keine Impfdosen gibt, die man davon kaufen kann“, so der Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld.
Expert*innen sind sich sicher: Die Corona-Krise ist für uns erst überstanden, wenn sie weltweit überstanden ist. Doch davon sind wir aktuell noch weit entfernt.
Anmerkungen zu verwendeten Daten und Methode
Vergleich Deutschland-Uganda
Zum Vergleich der Erstimpfungsraten der verschiedenen Länder verwenden wir die Zahlen von Our World in Data. Manche Länderdaten sind veraltet oder nur unvollständig vorhanden. Wir haben Uganda zum Vergleich herangezogen, da für das Land seit Anfang März kontinuierlich Daten vorliegen. Beim Vergleich der beiden Länder haben wir den letzten für beide Länder verfügbaren Zeitpunkt herangezogen, dies ist der 9. Mai 2021.
Vergleich der Kontinente
Our World in Data zählt unter anderen Russland und die Ukraine zu Europa, während Asien alle Länder östlich der Türkei umfasst. Zu Ozeanien gehören auch Australien und Neuseeland.
Bestellte Impfstoffdosen
Für erworbene Impfstoffmengen ziehen wir die Daten des Duke Global Health Innovation Center heran, das wöchentlich Impfstoff-Käufe einzelner Länder und Bündnisse wie der EU oder der Afrikanischen Union erfasst. Die Daten der Covax-Initiative sind dabei nicht berücksichtigt.
Bestellte Impfstoffe im Verhältnis zur Bevölkerung
Wir verwenden die Zahl von Dosen, die für einen vollen Impfschutz notwendig sind. Diese Messgröße ist sinnvoller als ein absoluter Vergleich nach Impfstoffdosen, da je nach Hersteller eine oder zwei Dosen notwendig sind.
Grundlage sind Vereinbarungen zwischen Herstellern und den Staatenverbänden. Darüber hinaus gibt es auch noch einige Verträge zwischen einzelnen Ländern und Herstellern. Die Angaben beziehen sich auf alle Bestellungen – auch von Impfstoffen, die (noch) nicht zugelassen sind.
Quellen:
Our World in Data; Duke Global Health Innovation Center; GAVI; Prof. Dr. Wolfgang Greiner, Universität Bielefeld; Anne Jung, medico international; Bundesjustizministerium
Autoren:
Jonas Becker, Michael Hörz
Redaktion:
Jennifer Werner, Karsten Kaminski
Design:
Jens Albrecht, Josephine Gudakow