China in der Corona-Pandemie
Von Verunsicherung, Veränderung und Vorurteilen
Nach vier Monaten im Lockdown dürfen unsere ZDF-Chinakorrespondenten wieder reisen.
Nach Monaten, in denen die Welt nur offizielle Bilder aus China gesehen hat. Bilder, die zum Märchen von einem Land passen, das alles im Griff hat.
Aber die Realität sieht anders aus:
Jetzt wollten wir endlich mal selber los, das ging, es war ziemlich faszinierend.
Eine Reise durch ein verwundetes Land
Erste Hürde:
Zu Beginn der Reise erfährt das Kamerateam eine Sonderbehandlung.
Als einzige Passagiere im Flugzeug werden sie einem Gesundheitscheck unterzogen.
Der Grund: China fürchtet, dass Ausländer das Virus ins Land bringen.
Wir sind von den anderen Passagieren getrennt worden. Wir waren auch die einzigen zwei Ausländer […] .
Nach einem Gesundheitscheck können die ZDF-Korrespondenten nachweisen, dass sie in Peking wohnen und nicht aus Deutschland angereist sind – sie dürfen ihre Reise fortsetzen.
Zhangjiajie
Mitten im Herzen Chinas
Atemberaubende Landschaften, in denen sich normalerweise Chinas Mittelschicht tummelt.
Einheimische, die vom Tourismus leben, haben jetzt kein Einkommen mehr.
Wir wissen nicht, was wir machen sollen. Um ehrlich zu sein, wir alle haben hier eine schlechte Schulausbildung.
Nach Zhangjiajie reisten Touristen vor Corona unter anderem wegen dieser besonderen kulinarischen Spezialität: Schlangenfleisch.
Aber das ist vorbei.
Seit Corona gilt der Verzehr solcher Tiere als gesundheitsschädlich. Chinas Regierung hat Wildtiere von den Speisekarten verbannt.
Die Regierung hat uns doch ermuntert, dass wir Schlangen und andere exotische Tiere züchten. Dies sollte uns helfen, schneller aus der Armut zu kommen.
Li Yonghong weiß jetzt nicht, was er mit seinen 10.000 Schlangen machen soll. Noch will er sie nicht töten oder freilassen. Noch hofft er auf Hilfe vom Staat.
Offiziell hat China das Virus besiegt. Viele Chinesen glauben aber, dass die Gefahr jetzt von außen kommt.
Ich habe gehört, das Virus stammt aus den USA.
Nur langsam will sich China öffnen, hat Panik vor einer zweiten Infektionswelle.
Bis August hat Peking größere Reisegruppen verboten.
Ningbo
Chinas Wirtschaftsmotor steht still
Die Reise führt in eine der größten Hafenstädte des Landes.
Von Ningbo aus exportiert China seine Güter in die Welt.
Kränkelt Ningbo, kränkelt das ganze Land.
Auf dem Weg: die üblichen Sicherheitskontrollen. Reisende müssen sich mit einem QR-Code in der Provinz anmelden. Bewegungsprofile werden genau überwacht.
Nach einem Anruf von dem Propagandaministerium dürfen wir hier kein Interview machen und eigentlich auch nicht drehen.
China will keine transparente Berichterstattung über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Zwei fest vereinbarte Interviews mit deutschen Firmen wurden vor Ort von den Behörden untersagt.
Die offiziellen Zahlen sind dramatisch:
- Wachstum von – 6,8 Prozent im ersten Quartal 2020
- Anstieg der Staatsverschuldung auf 3,6 Prozent der Wirtschaftsleistung
- Erstmals seit 1990 kein Wachstumsziel für die chinesische Wirtschaft
Dongguan
Im Süden Chinas
Die Folgen der Corona-Krise sind auch im Süden des Landes zu spüren.
Dongguan – mit 8,2 Millionen Einwohnern – wird auch „Werkbank der Welt” genannt. Die Handelsflaute trifft die Region hart.
In Tausenden Fabriken wird hergestellt, was die Welt so braucht:
Früher war alles besser, jetzt ist es schwierig. Die Sachen, die wir hier produzieren, können wir nicht verkaufen.
Chinas Aufstieg ist eng mit Dongguan verbunden, aber seit der Corona-Pandemie bestellt die Welt keine Produkte mehr.
Das Material liegt ungenutzt herum. Jeden Monat verliert Herr Wang mehrere Tausend Euro. Die Arbeiter und Fabrikbesitzer in der Region fürchten um ihre Existenz.
Manzhouli
an der russisch-chinesischen Grenze in der inneren Mongolei
Eine der wichtigsten Handelsrouten führt durch diese vergessene Gegend. Seit Corona liegt hier alles still.
Normalerweise passieren hier Güter im Milliardenwert täglich die Grenze, aber die ist aus Angst vor Ansteckungen aus Russland geschlossen.
Die Grenze bleibt erstmal zu.
Das mongolische Grasland war früher ein Hotspot für Reittouristen, heute ist außer den Pferden niemand zu sehen.
Aber bei allem Frust, über allem schwebt die kommunistische Partei und die wird nicht wirklich in Frage gestellt.
Autoren:
Stefanie Schoeneborn,
Ulf Röller,
Alexander Glodzinski
Redaktion:
Jennifer Werner, Karsten Kaminski
Im Auftrag des ZDF:
Redaktion:
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Design:
Mischa Biekehör, Jens Albrecht