Das Schicksal der Milchkuhkälber
Nachwuchs als unerwünschtes Nebenprodukt
Jährlich werden in Deutschland Millionen Milchkuhkälber geboren. Es gibt Hinweise darauf, dass viele dieser Tiere in der Milchwirtschaft keine Verwendung haben.
Diese Kälber sind betroffen:
Insgesamt gibt es in Deutschland über etwa vier Millionen Milchkühe.
Vor allem der männliche Nachwuchs ist für Milchbauern und Milchbäuerinnen unwirtschaftlich.
Denn die Mehrheit der deutschen Milchkühe sind Schwarzbunte Holstein-Friesians – eine reine Milchrasse.
Die weiblichen Hochleistungskühe liefern extrem viel Milch. Doch die Rasse bekommt kaum Fleisch auf die Rippen.
So sieht es auf einem Milchwirtschaftshof meistens aus:
Auf dem Hof von Milchbauer Rolf Trede werden die Kälber gleich nach der Geburt von den Müttern getrennt und separat gehalten. Nachdem die Kälber die immunstärkende Erstmilch der Mutter getrunken haben, müssen sie rein gesetzlich gar keine Milch ihrer Mutterkuh mehr bekommen. Bei Trede gibt es immerhin noch Pulver aus Vollmilch.
Doch der Kostendruck ist ständiger Begleiter von Milchbauer Trede, wie man hier im Interview hören kann:
Ich würde, wenn ich Glück habe, zehn Euro bekommen.
Damit die Kühe durchgehend viel Milch geben, müssen sie einmal im Jahr ein Kalb gebären.
Die Aufzucht ist teuer und lohnt sich nicht für die Betriebe.
Viele Bäuerinnen und Bauern haben neben dem Betrieb jedoch nicht die Zeit, sich um die übrigen Kälber oder den Verkauf zu kümmern.
Die Folge: Es gibt Hinweise darauf, dass einige Bäuerinnen und Bauern ihre Kälber illegal töten oder die Tiere verenden lassen. Laut Tierschutzgesetz ist das Töten der Tiere klar verboten.
Doch eine Gesetzeslücke kommt ihnen dabei zugute:
Kälbergeburten müssen erst ab dem siebten Lebenstag gemeldet werden. Stirbt ein Kalb bei der Geburt oder vor dem siebten Lebenstag, ist dies für die Behörden nicht nachvollziehbar.
Wie viele Kälber sterben?
Jedes Bundesland zählt anders. Eindeutige Zahlen zur Kälbersterblichkeit gibt es nicht. Die wenigen offenen Statistiken und Tierschutzorganisationen kommen auf 10 bis 20 Prozent tote Kälber bei der Geburt und in den ersten Lebenstagen.
Das Kalb, was eh nichts wert ist, fällt dann hinten runter.
Tierschützer Maik Kindler nimmt in seinem „Kälberhort“ seit 20 Jahren Kälber auf, die keiner will.
Das habe ich tatsächlich auch schon selber gesehen, dass Tiere dann nicht behandelt werden und dann einschlafen. Es gibt ja auch Problemfälle von Kälbern, die nicht saugen wollen und da stellt sich keiner hin und macht sich die Mühe.
So ein Fall ist Stier Viktor: Vor sechs Jahren zu früh geboren und dann in die Güllerinne gerutscht.
Der Bauer wollt's nicht haben,
weil's ein Junge ist.
Auf Maik Kindlers Weide dürfen die Tiere – wie Stier Viktor – friedlich weiterleben.
Wie reagiert die Politik darauf?
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft findet, dass die derzeitigen Vorschriften für die Kälberzucht ausreichen. Aber aus der Politik gibt es auch Forderungen nach Änderungen:
Der Gesetzgeber muss das im Tierschutzgesetz festschreiben, dass diese einseitigen Zuchten verboten werden. Wir müssen davon weg, dass wir Tiere wegschmeißen.
Quellen:
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit;
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit;
Klatt, I. (2019): Untersuchungen zum Antibiotikaeinsatz in der Kälbermast in Bayern im Kontext des auf der 16. AMG-Novelle basierenden staatlichen Antibiotikamonitorings;
ViehVerkV § 27; Umweltbundesamt; Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz; Statistisches Bundesamt
Fotos:
Istock/GlobalP; Istock//Tofotografie; Istock/JP1961
Redaktion:
Lucas Eiler, Karsten Kaminski
Im Auftrag des ZDF:
Autorin:
Merle Upmann
Redaktion:
Ella Böhm
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