Intensivbetten in Deutschland

Warum immer wieder vor einer Überlastung gewarnt wird

Grafik einer Intensivstation mit 3 leeren Betten.
Grafik einer Intensivstation mit 3 leeren Betten.
Grafik einer Intensivstation mit 3 leeren Betten. 3 Icons zeigen: Pflegepersonal, Medikamente und Geräte.
Grafik einer Intensivstation mit 3 leeren Betten. 3 Icons zeigen: Pflegepersonal, Medikamente und Geräte.

Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) geht davon aus, dass es weniger verfügbare Intensivplätze gibt als gemeldet.

Das Problem:

„Freie Betten“, die von den Krankenhäusern gemeldet werden, sollten eigentlich Betten sein, die eine Behandlung ermöglichen.

Denn neben dem Bett sind für die Intensivpflege weitere Faktoren wichtig:

Laut Divi werden von Krankenhäusern auch Betten angegeben, für die kein Personal verfügbar ist. Das verfälsche das Bild.

Wie es gerade um die Verfügbarkeit von Intensivbetten in den einzelnen Regionen Deutschlands steht, zeigt ein Blick auf das Intensivregister.

Klicken Sie auf Ihre Region für mehr Informationen:

Einmal täglich trägt die Divi die freien und belegten Intensivbetten hier ein und gibt an, wie viele an Covid-19-Erkrankte vergeben sind.

Grafik einer Intensivstation mit 3 leeren Betten. In einem Bett liegt ein Mensch, angeschlossen an eine Beatmungsmaschine.
Grafik einer Intensivstation mit drei Betten, in einem liegt eine Person. Ein Icon zeigt ein Preisschild mit 560 Euro pro Tag.
Grafik einer Intensivstation mit drei Betten, in einem liegt eine Person. Icons zeigen: Schutzausrüstung, Freigehaltene Termine, Reinigung (Desinfektionsmittel)
Grafik einer Intensivstation mit drei Betten, in einem liegt eine Person. Icons zeigen: Schutzausrüstung, Freigehaltene Termine, Reinigung (Desinfektionsmittel)

Um dem tatsächlichen Kapazitätsstand jetzt wieder näher zu kommen, spricht sich die Divi dafür aus, nur die wirklich verfügbaren Betten zu melden.

Warum melden Krankenhäuser falsch?

Eine Vermutung der Deutschen Stiftung Patientenschutz:

Freigehaltene Betten könnten in Verhandlungen über finanzielle Unterstützungen einen Vorteil bringen. Beispielsweise gab es bis zum 30. September 2020 eine Freihaltepauschale für freie Betten. Diese wurde an die Krankenhäuser gezahlt.

In Zukunft soll es allerdings laut Bundesgesundheitsministerium keine Freihaltepauschalen mehr geben, sondern Zuschläge für coronabedingte Mehrkosten. Diese sollen individuell mit jedem Krankenhaus vereinbart werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern?

Grafik eines Krankenhausflurs. Es stehen Betten im Flur und ein Arzt an einer Planungstafel.
Grafik eines Krankenhausflurs. Es stehen Betten im Flur und ein Arzt an einer Planungstafel.
Grafik eines Krankenhausflurs. Es stehen Betten im Flur und ein Arzt an einer Planungstafel. Nun befindet sich ein Bett mit einer Person darin auf dem Flur.
Grafik eines Krankenhausflurs. Es stehen Betten im Flur und ein Arzt an einer Planungstafel. Nun befindet sich ein Bett mit einer Person darin auf dem Flur.

Planbare Operationen verschieben:

Durch diese Maßnahme werden Kapazitäten für eintreffende Covid-19-Fälle frei. Momentan ist diese Maßnahme noch nicht angeordnet, wird aber empfohlen.

Wichtig ist allerdings, dass die Freihaltung von Kapazitäten für potenzielle Covid-Patientinnen und Patienten nicht zu einer Unterversorgung anderer Patienten führt. Das müssen die Ärzte vor Ort entscheiden.
Bundesgesundheitsministerium | 03.11.2020

Verteilung von Patientinnen und Patienten bei Überlastung:

Erreicht ein Krankenhaus die Kapazitätsgrenze, wird eine Verlegung zwischen den Kliniken im näheren Umfeld organisiert.

So sieht die Belastung in den einzelnen Krankenhäusern aus:

Grafik eines Krankenhausflurs. Es stehen Betten im Flur und ein Arzt an einer Planungstafel. Nun befindet sich ein Bett mit einer Person darin auf dem Flur.
Grafik eines Krankenhausflurs. Es stehen Betten im Flur und ein Arzt an einer Planungstafel. Nun befindet sich ein Bett mit einer Person darin auf dem Flur.
Grafik eines Krankenhausflurs. Es stehen Betten im Flur und ein Arzt an einer Planungstafel. Es stauen sich nun mehrere Betten auf dem Flur.
Grafik eines Krankenhausflurs. Es stehen Betten im Flur und ein Arzt an einer Planungstafel. Es stauen sich nun mehrere Betten auf dem Flur. Piktogramme zeigen die Entscheidung eines Arztes für einen und gegen zwei Patient*innen.

Verteilung nach dem Kleeblatt-Prinzip:

Sollte sich die Kapazitätslage zuspitzen, hat das Bundesinnenministerium Ende Oktober ein Konzept erstellt.

Dabei wird je nach Schwere der Lage agiert.

Man sieht eine Farbampel, die die verschiedenen Schwerestufen zeigen: Grün = Normalsituation Gelb = wachsende Inanspruchnahme  Rot = sich abzeichnende Überlastungssituation

Drei Variablen beeinflussen die Einschätzung der Lage:

  • Kontrollierbarkeit der epidemiologischen Lage
  • Verfügbarkeit belegbarer Intensivbetten
  • Prognose benötigter Intensivbetten in den kommenden sieben Tagen

Kommt es zur Roten Stufe, greift das Kleeblatt-Prinzip. Innerhalb dieser Gruppen sind dann Verlegungen zwischen Krankenhäusern auch über weitere Distanzen möglich:

Grafik der Kleeblatt-Gruppierungen für eine Notfallsituation: Gruppe Nord: Hamburg, Bremen, Niedersachen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Gruppe Ost: Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Gruppe West: Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Zwei einzelne Großregionen für sich bilden: Nordrhein-Westfalen und Bayern.

 

Verhinderung des Worst-Case-Szenarios:

Neben dem Hauptziel die Corona-Infektionszahlen zu senken, kann die Verteilung auf mehrere Krankenhäuser eine mögliche Triage vermeiden.

Denn sollten im schlimmsten Fall nicht genug Ressourcen zur Versorgung aller Patientinnen und Patienten vorhanden sein, müssten die behandelnden Ärztinnen und Ärzte entscheiden, wen sie behandeln und wen nicht.

Wie ist die aktuelle Lage in Deutschland?

Zum Ende der ersten Novemberwoche gab es rund 7.024 freie Intensivbetten.
Stand: DIVI-Intensivregister vom 06.11.20 20 um 12:15 Uhr

Selbst wenn die Infektionszahlen wieder sinken würden, dauert es laut Expertinnen und Experten durchschnittlich zehn Tage bis Menschen mit Symptomen auf die Intensivstation verlegt werden müssen. Beatmete Patientinnen und Patienten bleiben dort längere Zeit und auch Todesfälle treten erst im weiteren Verlauf auf. Daher wirken sich Änderungen der Neuinfektionszahlen erst mit einer Verzögerung auf das Geschehen in den Krankenhäusern aus.

Bislang ist Deutschland trotz steigender Zahlen der Intensivbehandlungen noch gut aufgestellt, so die Deutsche Krankenhausgesellschaft.

Die Versorgung könne weiterhin sichergestellt werden. Auch habe man aus der ersten Welle viel gelernt: Es wurden Reservekapazitäten aufgestockt und man wisse heute deutlich mehr über den Umgang mit dem Virus.

Große Sorgen macht aber der akute Mangel an Fachpersonal:

„Wir brauchen dafür nicht nur dreijährig ausgebildete Pflegekräfte, sondern wir brauchen welche mit zweijähriger Fachweiterbildung. Das ist eine hochkomplexe Aufgabe, die können sie nicht innerhalb so einer kurzen Zeit schaffen.“  Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung am 02.11.2020
„Es werden jetzt in der zweiten Welle mehr Beatmungsplätze freigemacht. Ich frage mich einfach: Mit welchem Personal soll das geschehen? Mir bringt nicht mehr Geld etwas, sondern mehr Personal in dieser Phase.“ Andreas Schneider, Intensivpfleger Klinikverbund Bremen am 29.10.2020
„Da muss neues Personal hin, dass sich möglichst nicht überschneidet mit den anderen Stationen. Also insofern ist das eine zusätzliche Belastung für das Krankenhaus - organisatorisch, personell und räumlich.“  Prof. Marylyn Addo, Oberärztin und Leiterin Sektion Infektiologie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf am 27.10.2020

Quellen:
Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI); Bundesministerium für Gesundheit; Bundespressekonferenz am 03.11.2020; DIVI-Intensivregister; Deutsche Stiftung Patientenschutz; Andreas Westerfellhaus, Pflegebeauftragter der Bundesregierung; Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat; dpa; kna; Prof. Dr. Christian Drosten, Virologe der Charité Berlin; Deutsche Krankenhausgesellschaft

Redaktion:
Jennifer Werner, Karsten Kaminski, Simon Haas

Im Auftrag des ZDF:

Autorin:
Ella Böhm

Design:
Annika Lensch