„Wir schaffen das“

Die Geschichte einer syrischen Familie fünf Jahre danach

Hunderttausende fliehen 2015 aus Syrien nach Deutschland. Die Familie Alhasan ist eine von ihnen.

Foto von Mustafa, dem Vater.
Zitat von Mustafa, dem Vater: „Ein Jahr lang haben wir uns nicht gesehen, aber es hat sich angefühlt wie zehn Jahre.“

Die Flucht des Vaters beginnt schon 2014. Er kommt alleine in Deutschland an. Den Preis, den die Schlepper in der Türkei für die gesamte Familie verlangen, können die Alhasans nicht bezahlen. Seine Frau Hanadi und die Kinder kehren zunächst zurück nach Syrien, zurück in den Krieg.

Zitat aus 2015 von Hanadi, der Mutter: "Wir sterben hier."

Das Assad-Regime und seine Verbündeten belagern den Osten der Millionenstadt Aleppo, die Heimat der Alhasans. Sie bombardieren Wohngebiete aus der Luft. Oppositionsgruppen halten mit allem dagegen, was sie haben.

Junge läuft 2015 durch zertrümmerte Straßen in Aleppo.

Hanadi ist hochschwanger, bringt Zwillinge zur Welt. Die Söhne sterben nach wenigen Wochen durch eine Bombenexplosion.

Hunderttausende fliehen 2015 aus Syrien nach Deutschland. Die Familie Alhasan ist eine von ihnen.

Foto von Mustafa, dem Vater
Foto von Mustafa, dem Vater

Zitat von Mustafa, dem Vater: „Ein Jahr lang haben wir uns nicht gesehen, aber es hat sich angefühlt wie zehn Jahre.“

Die Flucht des Vaters beginnt schon 2014. Er kommt alleine in Deutschland an. Den Preis, den die Schlepper in der Türkei für die gesamte Familie verlangen, können die Alhasans nicht bezahlen. Seine Frau Hanadi und die Kinder kehren zunächst zurück nach Syrien, zurück in den Krieg.

Junge läuft 2015 durch zertrümmerte Straßen in Aleppo.
Junge läuft 2015 durch zertrümmerte Straßen in Aleppo.

 „Wir sterben hier.“  Hanadi, Mutter

Das Assad-Regime und seine Verbündeten belagern den Osten der Millionenstadt Aleppo, die Heimat der Alhasans. Sie bombardieren Wohngebiete aus der Luft. Oppositionsgruppen halten mit allem dagegen, was sie haben. Hanadi ist hochschwanger, bringt Zwillinge zur Welt. Die Söhne sterben nach wenigen Wochen durch eine Bombenexplosion.

Eine Karte mit Syrien und der Türkei: Eine Route aus Syrien kommend ist eingezeichnet bis zur Grenzstadt in der Türkei, Reyhani. Dazu ein Zitat von Hanadi, der Mutter: „Auf jeden Fall sterben wir. Entweder in meiner Heimat oder bei den Schleppern. Ich bin in einer total grausamen Situation. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt.“
Eine Karte mit Syrien und der Türkei: Eine Route aus Syrien kommend ist eingezeichnet bis nach Izmir, im Western der Türkei. Dazu ein Zitat von Hanadi, der Mutter: „Auf jeden Fall sterben wir. Entweder in meiner Heimat oder bei den Schleppern. Ich bin in einer total grausamen Situation. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt.“
Eine Karte mit Syrien und der Türkei sowie griechischen Inseln: Eine Route aus Syrien kommend ist eingezeichnet über Reyhani, Izmir bis nach Didim, einer Hafenstadt. Von dort mit dem Boot auf die griechische Insel Leros. Dazu ein Zitat von Hanadi, der Mutter: „Auf jeden Fall sterben wir. Entweder in meiner Heimat oder bei den Schleppern. Ich bin in einer total grausamen Situation. Ein Foto der Mutter mit ihren drei Kindern in Rettungswesten.
Eine Karte mit Syrien und der Türkei sowie griechischen Inseln: Eine Route aus Syrien kommend ist eingezeichnet über Reyhani, Izmir bis nach Didim, einer Hafenstadt. Von dort mit dem Boot auf die griechische Insel Leros. Dazu ein Zitat von Hanadi, der Mutter: „Auf jeden Fall sterben wir. Entweder in meiner Heimat oder bei den Schleppern. Ich bin in einer total grausamen Situation. Ein Foto der Mutter mit ihren drei Kindern in Rettungswesten.
Eine Karte mit Syrien und der Türkei sowie griechischen Inseln: Eine Route aus Syrien kommend ist eingezeichnet über Reyhani, Izmir bis nach Didim, einer Hafenstadt. Von dort mit dem Boot auf die griechische Insel Leros. Dazu ein Zitat von Hanadi, der Mutter: „Auf jeden Fall sterben wir. Entweder in meiner Heimat oder bei den Schleppern. Ich bin in einer total grausamen Situation. Ein Foto der Mutter mit ihren drei Kindern in Rettungswesten, alles im Foto ist ausgegraut, außer die gelbe Jacke von Leen.
Eine Karte mit Syrien und der Türkei sowie griechischen Inseln: Eine Route aus Syrien kommend ist eingezeichnet über Reyhani, Izmir bis nach Didim, einer Hafenstadt. Von dort mit dem Boot auf die griechische Insel Leros. Dazu ein Zitat von Hanadi, der Mutter: „Auf jeden Fall sterben wir. Entweder in meiner Heimat oder bei den Schleppern. Ich bin in einer total grausamen Situation. Ein Foto der Mutter mit ihren drei Kindern in Rettungswesten, alles im Foto ist ausgegraut, außer die gelbe Jacke von Leen.

Mit dem Geld, das Mustafa aus Deutschland schickt, fliehen Hanadi und die Töchter erneut. An der Grenze zur Türkei werden sie fast voneinander getrennt. „Die Kinder haben so geweint, so geschrien“, sagt Hanadi. Sie muss türkische Soldaten bestechen, um auf die andere Seite zu gelangen.

In der türkischen Stadt Izmir warten Hanadi und die Kinder im Hotel auf die Flucht nach Griechenland. Jeden Tag sagen die Schlepper: „Heute fahrt ihr.“
15 Tage passiert nichts. Dann geht es um vier Uhr nachts in einem kleinen, überfüllten Boot Richtung Griechenland. 

Zitat von Sima „Wir hatten Leen verloren. Dann war sie unter dem Boot.“

Das Boot läuft bei der Überfahrt voll und droht zu sinken. Die griechische Küstenwache entdeckt die Flüchtlinge und holt sie an Bord. Aber die Menschen sind panisch. Im Chaos fällt Leen ins Wasser.

Zeichnung einer gelben Jacke.

Eine gelbe Jacke rettet ihr in der Nacht das Leben: Zwei Männer entdecken sie in den Wellen und bringen sie an Bord.

Foto der Ankunft der Alhasans am Hamburger Flughafen 2015. Dazu ein Zitat der Tochter Leen: „Ich wusste nicht, wer mein Vater ist. Am Flughafen habe ich gefragt: Ist das mein Papa? Ist das mein Papa? Ist das mein Papa?“
Foto der Ankunft der Alhasans am Hamburger Flughafen 2015. Dazu ein Zitat der Tochter Leen: „Ich wusste nicht, wer mein Vater ist. Am Flughafen habe ich gefragt: Ist das mein Papa? Ist das mein Papa? Ist das mein Papa?“ Ein Flugzeug ist eingezeichnet.
Ein Foto von Sima.
Foto vom Nachbarschaftsfest
Fotos vom Nachbarschaftsfest
Foto von der Einweihungsfeier.

Mustafa holt seine Familie in Griechenland ab. Im August 2015 ist sie das erste Mal seit einem Jahr wieder vereint.

Zusammen fliegen sie nach Deutschland.

Mustafa hat in seiner Zeit in Deutschland bereits Freundschaften geschlossen.

Seine Freunde haben ihm ein Haus organisiert und eingerichtet. An einem Nachmittag war das Haus komplett fertig.

Eine Willkommensgeste, die die Familie bis heute berührt. „Ich habe heute noch Kontakt zu allen“, sagt Hanadi.

Neue Heimat, neue Familien

Zitat von Hanadi: „Wir waren total happy. Wir waren total fremd, ohne Sprache, ohne Familie – und Annette und Jörg haben uns in ihr Herz genommen.“

Von Anfang an erhalten die Alhasans in Eutin Unterstützung. Die Familien um Annette und Jörg sowie Annalena, Diana und Didi sind Helfer, Ansprechpartner, Freunde und Familie.

Foto von Mustafa und Hanadi mit Jörg beim Raclette-Essen.
Ein weiteres Bild kommt dazu: Die drei Töchter backen Kekse und präsentieren diese stolz.
Ein weiteres Foto zeigt die Familie an Weihnachten, als sie Geschenke auspacken.
Fotos, die die Familie und ihre Freunde beim Kartenspielen, Essen und bei Spielen am Strand zeigen.
Fotos, die die Familie und ihre Freunde beim Kartenspielen, Essen und bei Spielen am Strand zeigen.

Die syrische Familie feiert in Eutin zum ersten Mal Weihnachten, backt Kekse und entdeckt Raclette.

Heute sind die Alhasans und ihre deutschen Freunde wie eine große Familie.

Zitat von der Mutter Hanadi: „Wir danken allen Deutschen und Europäern, die Ausländern helfen. Wenn man Ausländern wirklich hilft, dann geht es den Familien gut. Aber wenn man sie alleine lässt, dann fühlen sie sich traurig. Das ist grausam.“

Foto von einem gemeinsamen Treffen der Familie mit Freunden.

Foto von Hanadi beim Gesundheitskurs. Sie redet mit anderen Frauen.
Foto von Hanadi bei einer Präsentation im Gesundheitskurs.
Foto von Hanadis Skelettzeichnung.
Foto von Hanadis Skelettzeichnung und ein Foto von ihren Karteikarten mit medizinischen Begriffen.
Ein Foto von Mustafa bei seinem ersten Job. Er hat die Arme über seine Kollegen gelegt. Dazu ein Zitat von Hanadi, seiner Frau: "Mustafa hat zwei goldene Hände."
Ein Foto von Mustafa bei seinem ersten Job. Er hat die Arme über seine Kollegen gelegt. Dazu ein Zitat von Hanadi, seiner Frau: "Mustafa hat zwei goldene Hände."

Zitat von Hanadi: „Ich helfe denen so gerne. Ich lächele in die Gesichter der Patienten, und das macht die Patienten glücklich – besonders die einsamen Leute.“

Bis 2018 engagiert Hanadi sich ehrenamtlich. Sie lernt Deutsch, erklärt als interkulturelle Botschafterin anderen arabischen Frauen das deutsche Gesundheitssystem und organisiert mit Annette mehrere Yoga-Kurse für arabische Frauen. Ende 2018 beginnt sie dann eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten.

Zitat von Hanadi: „Um vier Uhr bin ich aufgestanden, habe gelernt bis 6 Uhr. Um 6:30 Uhr habe ich meine Familie aufgeweckt, Frühstück gemacht, zur Schule gebracht. Dann bin ich zur Arbeit gegangen, in der Mittagspause habe ich weitergelernt und bin danach wieder zur Arbeit. Zu Hause bin ich direkt ins Bett.“

Ein Jahr geht die Ausbildung noch, dann hat sie einen Festvertrag in Aussicht.

Als seine Familie nach Deutschland kommt, arbeitet Mustafa noch in einem Restaurant. Er macht dort fast alles, ist Küchenhelfer, Hausmeister, Restaurator. Später wechselt Mustafa in ein Tiefbau-Unternehmen, heute arbeitet er im Zentrallager eines großen Discounters. Die Arbeit ist körperlich anstrengend, aber „das ist kein Problem für mich“, sagt er, solange seine Familie glücklich sei.

Zitat von Hanin: "Ich bin Klassensprecherin, darauf bin ich am meisten stolz."

Vor der Einschulung gehen Hanin, Leen und Sima in eine DaZ-Klasse – „Deutsch als Zweitsprache“. Noch im Winter 2015 kommen die Zwillinge, damals 7 Jahre alt, in die zweite Klasse. Sima, ein Jahr älter, geht direkt in die dritte Klasse.

Zwei Fotos vom Einschulungstag mit den Eltern und ihren 3 Töchtern.

Fünf Jahre später haben die drei viele Freunde, gute Noten – und Leen und Hanin sind Klassensprecherinnen.

Zeichnung einer Schultüte.

Alte Fotos aus Syrien: Sie zeigen die Mädchen auf der Straße mit ihren Freundinnen und Freunden.
Alte Fotos aus Syrien: Sie zeigen die Mädchen auf der Straße mit ihren Freundinnen und Freunden.

Zitat von Hanadi: „Das Leben in unserer Heimat war richtig traumhaft. Es war richtig gut.“

Auch wenn die Alhasans in Deutschland eine zweite Heimat gefunden haben, vermissen sie Vieles an Syrien. Vor dem Krieg wohnen Mustafas Eltern in derselben Straße, das Haus steht immer offen. Das Leben findet nicht in Läden statt, sondern auf der Straße. Und an jeder Ecke trifft Mustafa Bekannte oder Freunde.

Zitat von Hanadi: „Wir haben eine total andere Kultur und Sitten! Wir können uns daran nicht so schnell gewöhnen.“

Das Zuckerfest, das Opferfest, Ramadan – die großen Feste versucht die Familie zwar auch in Deutschland zu feiern. Aber es fühlt sich anders an. In Syrien ist die Stimmung an diesen Tagen festlich, alle Läden sind geschlossen. In Deutschland müssen die Alhasans manchmal arbeiten.

Zeichnung einer Muslima beim Zuckerfest.
Zitat von Mustafa: „Gestern waren noch alle zusammen, alle haben sich geholfen, haben gemeinsam getanzt. Dann ist plötzlich nichts mehr gut. Bis jetzt weiß ich nicht: Warum dieser Krieg?“

Auch die Situation in Syrien belastet die Alhasans. Sie haben Freunde und Verwandte verloren und Freunde und Verwandte, die immer noch in Syrien leben. „Jedes Mal, wenn ich mit diesen Leuten rede, dann habe ich schlechte Laune und bin die ganze Zeit traurig“, sagt Hanadi.

Foto einer zerstörten Straße in Aleppo.

Fotos von der Familie mit ihren Freunden beim Essen und Kaffeetrinken.
Fotos von der Familie mit ihren Freunden beim Essen und Kaffeetrinken.
Ein Foto der drei Mädchen mit einer Freundin. Sie zeichnen.
Ein Foto von Leen bei ihren Hausaufgaben.
Ein Foto von Hanin auf dem Trampolin. Daneben eine kleine Zeichnung mit drei Freunden.
Ein Foto von Hanin auf dem Trampolin. Daneben eine kleine Zeichnung mit drei Freunden.

Zitat von Mustafa: „Syrien ist meine Heimat, aber ich bin dort nicht glücklich. Hier ist die Arbeit, meinen Kindern geht es gut, meiner Frau. Alle Leute helfen mir immer wieder. Das macht mich glücklich.“

Zitat von Hanadi: „Wir fühlen uns einfach wohl. Sie haben uns aufgenommen. Diese Sicherheit. Ganz ehrlich: Diese Sicherheit habe ich in meiner Heimat nicht gefunden.“

Zitat von Sima: „Ich spreche Deutsch, lerne auch andere Sprachen und habe Freunde.“

Zitat von Leen: „Ich habe eigentlich sehr viel erreicht. Schwimmen und alle Sachen in der Schule – das konnte ich nicht, und jetzt habe ich das geschafft.“

Zitat von Hanin: „Ich habe sehr viele Freunde gefunden und darauf bin ich auch stolz.“

Was die Alhasans noch
schaffen wollen

Portraitfoto von Mustafa
Portraitfoto von Leen.
Portraitfoto von Hanin
Portraitfoto von Sima
Portraitfoto von Hanadi.

Mustafa: „Ich möchte ein altes Haus kaufen und dann mache ich alles alleine. Strom, Wasser, im Keller eine Sauna, draußen ein Schwimmbad. Das vermiete ich dann. Ich möchte für die Zukunft meiner Familie etwas aufbauen. Wenn ich sterbe, dann möchte ich meinen Kindern etwas hinterlassen.“

Zitat von Leen: „In Syrien habe ich gesehen, wie viele Kinder, kleine Kinder sterben. Da gab es nicht genügend Ärzte. Deswegen möchte ich Kindern helfen und Kinderärztin werden.“

Hanin: „Ich möchte Kinderärztin werden, weil meine Brüder zuerst gestorben sind. Da hätte ich gerne geholfen. Und ich möchte nicht, dass andere Geschwister sterben. Ich würde auch gerne Syrien noch einmal besuchen, um zu gucken, wie das jetzt aussieht oder wie das später aussieht, wenn es gebaut wird.“

Zitat von Sima: „Ich möchte mit 18 um die ganze Welt fliegen. Ich möchte ganz viele Leute kennenlernen und ganz viele Länder besuchen.“

„Wir haben alle Träume erreicht. Wir brauchen nicht mehr. Wir sind total zufrieden. Wir möchten nur gesund bleiben. Wir haben keinen anderen Wunsch.“

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Fotos:
privat; Reuters; dpa

Autor:
Kevin Schubert

Redaktion:
Jennifer Werner, Karsten Kaminski

Im Auftrag des ZDF:

Redaktion:
Ella Böhm

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Annika Lensch