Die dritte Corona-Welle brechen
Deutschland, Großbritannien und Schweden im Vergleich
Die deutlich ansteckendere Corona-Mutante B.1.1.7 hat in Deutschland, Schweden und Großbritannien eine dritte Welle ausgelöst.
Auf den Anstieg der Infektionszahlen reagierten die drei Staaten aber mit unterschiedlichen Maßnahmen. Die Auswirkungen werden auch bei der aktuellen Inzidenz deutlich:
Die Maßnahmen der Länder
Alle drei Länder handeln unterschiedlich in der Pandemie.
Während Deutschland und England* striktere Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen verordneten, nahm Schweden es lockerer – hier wurden lange lediglich Empfehlungen ausgesprochen.
Wie unterschiedlich streng die Maßnahmen teilweise ausfielen, zeigt sich beispielhaft am Shutdown und an der Maskenpflicht:
* Da die Länder Großbritanniens (England, Wales, Schottland und Nordirland) die Maßnahmen eigenverantwortlich regeln und es somit zu leichten Unterschieden kommt, wird in der folgenden Darstellung der Maßnahmen exemplarisch England herangezogen.
Deutschland: Mit dem letzten Shutdown sank die Inzidenz.
Doch die Corona-Variante B.1.1.7 sorgte Ende Februar wieder für einen Anstieg der Infektionszahlen – und das trotz Shutdown.
Die Bundesregierung reagierte am 23. April 2021 mit der bundesweit gültigen Notbremse, die unter anderem eine nächtliche Ausgangssperre und verschärfte Kontaktbeschränkungen ab einer Inzidenz von 100 umfasst.
Das Ziel: die dritte Welle brechen. Bislang scheint der Plan aufzugehen. Der Chef des Robert-Koch-Instituts sieht sie als abgebremst, gibt aber noch keine Entwarnung.
Schweden:
Erst im November wich die schwedische Regierung ein wenig von ihrem lockeren Kurs ab – zunächst sprach sie verschärfte Empfehlungen aus.
Die Corona-Mutante B.1.1.7 hat auch Auswirkung auf das Infektionsgeschehen in Schweden: Die Zahlen stiegen ab Februar wieder an.
Anfang Januar hat das Parlament in Stockholm ein Gesetz erlassen, das der Regierung die rechtliche Grundlage für Kontaktbeschränkungen und Geschäftsschließungen gibt.
Noch hat Schweden nicht vor, von einem harten Shutdown Gebrauch zu machen.
Großbritannien:
Das Vereinigte Königreich hat seine dritte Welle bereits hinter sich gebracht – durch einen erneuten, sehr strengen Lockdown und eine angepasste Impfstrategie.
Ist Großbritannien damit ein Vorbild?
Mit dem konsequenten Lockdown hat Großbritannien sogar einen Inzidenzwert unter 35 erreicht.
Ein Grund zu feiern: Am 12. April 2021 öffneten in England erstmals wieder die Außenbereiche von Pubs und Restaurants. Ein Stück Normalität kehrte zurück.
Laut dem Epidemiologen Prof. Rafael Mikolajczyk ist Großbritannien aber nur begrenzt als Vorbild geeignet:
Großbritannien hat sowohl eine sehr starke Epidemie erfahren als auch sehr strenge Maßnahmen der Kontakteinschränkung. Insofern ist es kein leuchtendes Vorbild. Für Deutschland wäre es wichtig, den weiteren Anstieg zu vermeiden.
Großbritanniens Beispiel zeigt: Hartes und schnelles Vorgehen gegen das Infektionsgeschehen in Form von Lockdown und Kontaktbeschränkungen ist – auch angesichts der neuen Virus-Varianten – das wirksamste Mittel, um Infektionszahlen zu senken.
Warum ein Vergleich allerdings schwierig ist:
Die Länder setzen neben unterschiedlichen Maßnahmen auch auf unterschiedliche Impfstrategien.
England hat im Vergleich zu Deutschland und Schweden früher begonnen und bereits deutlich mehr Impfungen verabreicht. Knapp die Hälfte der Bevölkerung hat dort schon mindestens eine Impfung erhalten. Laut der staatlichen Gesundheitsagentur in England konnten dadurch schätzungsweise 10.400 Todesfälle bis einschließlich März 2021 verhindert werden.
Dass sich ein „Impfeffekt“ früher bemerkbar macht, ist dort also wahrscheinlicher als in Deutschland.
Großbritannien hat diesen Vorsprung unter anderem durch größere Abstände zwischen den Erst- und Zweitimpfungen erreicht. Dadurch lag der Fokus auf den Erstimpfungen, die schon einen gewissen Schutz bieten.
Schweden und Deutschland gingen diesen Weg hingegen lange nicht. Schweden vergrößerte die Abstände erst Mitte März. In Deutschland wurden die Abstände erst Anfang April von der Ständigen Impfkommission verlängert.
Sowohl der britische Premierminister Boris Johnson als auch Deutschlands Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warnen jedoch, sich nicht nur auf die Impfungen zu verlassen. Auch Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell unterstreicht die Relevanz weiterer Maßnahmen:
Informationen:
Daten:
Die Fallzahlen in den Grafiken stammen von der Johns-Hopkins-Universität (international) sowie Risklayer (Deutschland). Die Impfzahlen kommen vom Robert-Koch-Institut (Deutschland) und “Our World in Data” (international).
Schweden:
Sichtbare Sprünge im Graphen der schwedischen Inzidenzwerte ergeben sich durch eine unregelmäßige Veröffentlichung durch die Gesundheitsbehörden in Schweden. Dieses Meldeverfahren erschwert laut Johns-Hopkins-University die tägliche und wöchentliche Schätzung neuer Fälle.
Großbritannien:
Die Inzidenzwerte beziehen sich auf Großbritannien (England, Wales, Nordirland, Schottland). Die dargestellten Maßnahmen hingegen beziehen sich auf England, um eine exemplarische Darstellung zu ermöglichen.
Quellen:
Johns-Hopkins-University; Risklayer; Bundesregierung; Robert-Koch-Institut; Regierung Großbritannien; Regierung Schweden; dpa; Reuters; afp; Gesundheitsbehörde Schweden; Gesundheitsbehörde England; Prof. Christian Drosten, "Das Corona-Update" (83), NDR; Prof. Joakim Dillner, Epidemiologe, Karolinska Institutet; Bundesgesundheitsministerium; Downing Street Briefing; Corona-Pressekonferenz Schweden 22.04.2021; Prof. Rafael Mikolajczyk, Epidemiologe UK Halle (Saale)
Fotos:
ap/Claudio Bresciani; ap/Toby Melville; epa/Clemens Bilan
Redaktion:
Jennifer Werner, Karsten Kaminski, Kevin Schubert
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