Wie groß ist die Corona-Gefahr in Bus und Bahn?

Eine Person mit Maske steigt in den Bus.
Eine Person mit Maske steigt in den Bus.

Nicht notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln sollen aktuell vermieden werden.* So soll die Mobilität eingeschränkt und damit Kontakte reduziert werden.
*Beschluss Bundesregierung und Bundesländer, 16.11.2020

Menschen mit Masken sitzen und stehen in einem Bus. Eine Person trägt keine Maske.

Doch wie hoch ist das Infektionsrisiko im öffentlichen Nahverkehr?

Grundsätzlich ist es schwer zu sagen, ob sich Menschen in Bus oder Bahn infiziert haben, denn die Kontaktnachverfolgung ist in diesem Fall deutlich schwerer als im privaten Bereich.

Die Studienlage ist noch uneindeutig. Insgesamt gehen Expertinnen und Experten eher von einem geringen Infektionsrisiko aus, wenn der Abstand gewährleistet ist.

Um sich anzustecken, muss eine Person eine bestimmte Menge an Viren einatmen. Wie hoch diese minimale Infektionsdosis beim Coronavirus ist, weiß man bislang nicht genau.

Ob sich ein Fahrgast nun ansteckt, hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von diesen:

Bei einer Fahrt durch die Innenstadt sind die Haltestellen sehr nah beieinander, sodass alle paar Minuten ein Stopp eingelegt wird, bei dem sich die Türen öffnen.

Regelmäßig Frischluft:

Der regelmäßige Luftaustausch durch das Türenöffnen, möglicherweise vorhandene Kippfenster sowie Lüftungsanlagen senkt das Infektionsrisiko. Dadurch wird die Virenkonzentration verringert.

Laut Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) kommt es bei jedem Halt zu einem „fast vollständigen Luftaustausch“. Der Verband beruft sich dabei auf technische Merkmale der Lüftungsanlagen und entsprechende Berechnungen.

Technische Daten der Berechnungen:

Die Berechnungen des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zeigen, dass ein kompletter Luftaustausch durch die Lüftungsanlagen etwa alle 50 Sekunden zustande kommt.

Grafische Darstellung eines Busses. Daran verortet sind die Parameter, die der VDV zur Berechnung heranzieht: Plätze im Standardlinienbus des ÖPNV: 77 Personen. Luftvolumenstrom der Lüftungsanlage: 75 Qubikmeter pro Minute (aufgerundeter Wert nach Herstellerangaben). Volumen des Standardlinienbusses: 60 Qubikmeter. Benötigte Frischluftmenge bei vollem Bus: 32,1 Qubikmeter pro Minute.

Dieser Luftaustausch findet jedoch mit einem Gemisch aus Frisch- und Umluft statt. Je höher der Frischluftanteil, desto schneller nimmt die Virenkonzentration ab.

Der VDV empfiehlt seinen Mitgliedern, wo es möglich ist, Lüftungsanlagen auf 100 Prozent Frischluft zu stellen und die Türen automatisch an jeder Haltestelle zu öffnen.

Die Maskenpflicht im ÖPNV minimiert auch das Ansteckungsrisiko im Bus. Der Hauptübertragungsweg der Tröpfcheninfektion wird so schon mal gehemmt – gerade wenn Abstandhalten schwierig ist.

Weniger Gespräche:

In öffentlichen Verkehrsmitteln reden Menschen weniger als etwa in einer Bar.

Dadurch sinkt auch das Infektionsrisiko, denn je nach Aktivität werden mehr oder weniger Aerosole ausgestoßen.

Geringe Aufenthaltsdauer von rund 15 Minuten:

So lange fahren die Deutschen laut Verband deutscher Verkehrsunternehmen im Schnitt mit dem ÖPNV.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass die kritische Kontaktzeit mit einer infizierten Person bei über 15 Minuten liegt. Deshalb wird ein geringes Infektionsrisiko angenommen.

Doch wie sieht es im Fernverkehr aus – beispielsweise im ICE?

Im Zug sitzen Fahrgäste viel länger als im Bus. Auch die Türen öffnen sich nicht mehr so regelmäßig.

Ist es hier gefährlicher?

Das hängt von den Lüftungsanlagen ab.

Bei Lüftungsanlagen gilt: Grundsätzlich sollte der Frischluftanteil so hoch wie möglich sein, um das Infektionsrisiko zu senken.

Im Fernverkehr sind laut Deutscher Bahn alle Züge mit Lüftungsanlagen ausgestattet, im Regionalverkehr fast alle.

Die Frischluftzufuhr werde an die Zahl der Fahrgäste angepasst.

Eine bestimmte Virenmenge bleibt trotzdem im Wagen vorhanden, solange eine infizierte Person weiter Viren ausatmet, so Prof. Martin Kriegel, Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts für Energietechnik.

Je länger man sich in einem virenbelasteten Wagen aufhält, desto höher ist das Infektionsrisiko.

Auch wenn Lüften und die kurze Kontaktzeit das Risiko senken, blickt Prof. Johannes Knobloch, Facharzt für Mikrobiologie, kritisch auf die kalten Monate: Nasse Masken, die eventuell weniger filtern, vollgedrängte Busse, in denen kein Abstand gehalten werden kann – das seien Aspekte, die das Infektionsrisiko erhöhen.

Das Verhalten der Menschen ist daher wesentlich: überfüllte Verkehrsmittel meiden, Masken richtig tragen und die Hygienemaßnahmen einhalten.

Quellen:
Beschluss der Bundesregierung, 16.11.2020; Robert-Koch-Institut; Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung; Prof. Ulrike Protzer, Leiterin Institut für Virologie, Helmholtz-Zentrum München; Prof. Johannes Knobloch, Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, UKE Hamburg; Prof. Martin Kriegel, Leiter Hermann-Rietschel-Institut, TU Berlin; Verband deutscher Verkehrsunternehmen; Deutsche Bahn AG; Siemens Mobility; Umweltbundesamt

Fotos:
TU Berlin

Redaktion:
Jennifer Werner, Lucas Eiler

Im Auftrag des ZDF:

Autorin:
Ella Böhm

Redaktion:
Sophie Gülzow

Design:
Jens Albrecht, Annika Lensch